Süddeutsche Zeitung

Kriegsverbrecher-Prozess:Zwölf Jahre Haft für Beihilfe zum Mord

Lesezeit: 1 min

Wegen Kriegsverbrechen in Bosnien und Kroatien werden der ehemalige Chef des serbischen Geheimdienstes und ein enger Mitarbeiter vor dem Internationalen Gerichtshof verurteilt. Doch der seit 2003 dauernde Prozess könnte damit noch immer nicht zu Ende sein.

Von Tobias Zick, München

Eine direkte Verantwortung für Verbrechen in Bosnien-Herzegowina und Kroatien konnte die Anklage nach Ansicht der Richter den beiden Männern nicht nachweisen. Wohl aber hätten sie von Verbrechen gewusst und an deren Vorbereitung mitgewirkt: Jovica Stanišić und Franko Simatović, so das Urteil des zuständigen UN-Tribunals in Den Haag, haben in den Neunzigerjahren serbische Milizen finanziert und ausgerüstet, die in der Stadt Bosanski Šamac Zivilisten ermordeten, verfolgten und vertrieben.

Es habe eine "gemeinsame kriminelle Unternehmung" gegeben, mit dem Ziel, die nicht serbische Bevölkerung aus bestimmten Gebieten zu entfernen. In dem Zusammenhang seien die Männer der Beihilfe zu Mord, Deportationen, Vertreibung und Verfolgung schuldig. Beide wurden am Mittwochabend zu jeweils zwölf Jahren Haft verurteilt. Die rund sechs Jahre, die die Männer bereits im Gefängnis gesessen haben, werden darauf angerechnet.

Jovica Stanišić, Spitzname "der Eisige", war seinerzeit der Chef des serbischen Geheimdienstes; ein enger Mitarbeiter und Vertrauter des damaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milošević. Franko Simatović diente unter ihm als hoher Beamter. Es ist das erste Mal, dass serbische Staatsbeamte für Kriegsverbrechen in Bosnien-Herzegowina verurteilt werden. Milošević starb 2006, während das Verfahren gegen ihn noch lief. Er hatte immer wieder bekräftigt, es habe in den Neunzigerjahren in Kroatien und Bosnien zwar Bürgerkriege gegeben, aber keine serbischen Aggressionen.

Die Anklage hatte lebenslänglich gefordert

Das Verfahren gegen Stanišić und Simatović gilt als der längste Kriegsverbrechensprozess der Geschichte. Er war nach ihrer Festnahme 2003 eröffnet worden, 2013 wurden sie freigesprochen. Eine Berufungskammer des Haager Gerichts ordnete 2015 die Wiederaufnahme des Verfahrens an. Es wird erwartet, dass die beiden Verurteilten nun ihrerseits Berufung einlegen werden. Auch Chefankläger Serge Brammertz erklärte am Mittwoch, er werde seinerseits einen solchen Schritt prüfen. Die Anklage hatte lebenslange Haft gefordert, die Verteidigung Freispruch.

Mehrere serbische Medien kritisierten am Donnerstag das Urteil als "ungerecht". Innenminister Aleksandar Vulin sagte in einem Fernsehinterview, die UN-Tribunale für Ex-Jugoslawien seien einzig zu dem Zweck geschaffen worden, "Serben anzuklagen und das serbische Volk als Ganzes vor Gericht zu stellen".

Die Regierung des benachbarten Kroatien wiederum kritisierte das Urteil als zu mild. Die Tatsache, dass Stanišić und Simatović einzig wegen Verbrechen in Bosanski Šamac verurteilt worden sein, werde ihrer tatsächlichen Rolle während der "großserbischen Aggression gegen die Republik Kroatien und gegen Bosnien-Herzegowina" nicht gerecht.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5339852
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.