Süddeutsche Zeitung

Widerstand gegen Parteiausschlussverfahren:500 Grüne unterstützen Boris Palmer

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Ein Aufruf fordert den Verbleib des umstrittenen Tübinger Oberbürgermeisters in der Partei. Charakterköpfe würden bei den Grünen leider "nicht als interessante Bereicherung angesehen", schreiben die Unterstützer.

Von Roman Deininger, München

Bei den Grünen formiert sich Widerstand gegen den möglichen Parteiausschluss des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer. Eine Unterstützergruppe legte am Montag einen von mehr als 500 Grünen-Mitgliedern unterschriebenen Aufruf vor, der den Verbleib Palmers in der Partei fordert. Palmer sei parteischädigendes Verhalten nicht vorzuwerfen, heißt es in dem Text, "denn kein deutscher Oberbürgermeister" habe "so viele urgrüne Ziele realisiert" wie dieser, etwa in der Klima- und Verkehrspolitik.

Einer der Unterzeichner des Aufrufs, Klaus-Peter Murawski, langjähriger Staatskanzleichef des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, sagte der Süddeutschen Zeitung: "Boris Palmer hat in Tübingen nachweisbar Großes geleistet, übrigens auch in der Integrationspolitik. Ich hadere mit mancher seiner Wortmeldungen, aber man sollte ihn an seinen Taten messen und nicht an seinen Facebook-Beiträgen."

Zu der Unterstützergruppe, die den Aufruf initiiert hat, gehört neben zwei Mitgliedern aus Palmers Tübinger Kreisverband auch die ehemalige Staatssekretärin im Bundesentwicklungsministerium, Uschi Eid. Die Unterzeichner stammen in großer Mehrheit aus Baden-Württemberg, wo Palmer im alten Realo-Flügel weiterhin viele Fürsprecher hat. Neben Murawski hat mit Franz Untersteller ein weiterer ehemaliger Minister Kretschmanns unterschrieben, zudem die frühere Staatsrätin Gisela Erler.

Dazu kommen einige Kommunalpolitiker, deren Namen symbolisch mit dem Aufstieg der Grünen im Südwesten verbunden sind, etwa die ehemaligen Oberbürgermeister von Freiburg und Konstanz, Dieter Salomon und Horst Frank, oder Elmar Braun, der 1991 im oberschwäbischen Maselheim zum ersten grünen Rathauschef in Deutschland gewählt wurde.

Palmer provozierte mit populistischen Äußerungen

Der Landesparteitag der Südwest-Grünen hatte im vergangenen Mai aufgrund wiederholter verbaler Ausfälle Palmers ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn beschlossen, das aber nur langsam in die Gänge kommt. Der grüne Landesverband wirft Palmer etwa die Verwendung eines rassistischen Begriffes und die Ablehnung des UN-Migrationspaktes vor.

Die Autoren des Aufrufs halten nun fest, dass auch sie "manche Äußerungen von Boris für unpassend, geschmacklos, beleidigend oder verstörend halten". Ein Grund für einen Parteiausschluss seien diese jedoch nicht: "Wir erinnern an die in unserer Partei hochgehaltene Debattenkultur, die wir für besonders schützenswert halten." Charakterköpfe würden bei den Grünen leider "nicht als interessante Bereicherung angesehen".

Boris Palmer selbst will sich zu dem laufenden Verfahren nicht öffentlich äußern, er wird von seinem Anwalt Rezzo Schlauch vertreten, dem früheren Grünen-Fraktionschef im Bundestag. Palmer hat auch noch nicht mitgeteilt, ob er im Herbst 2022 zur Wiederwahl als Oberbürgermeister antreten wird. Die Tübinger Grünen wollen ihre Kandidatin oder ihren Kandidaten im Frühjahr per Urwahl bestimmen. Die grüne Kreisrätin Ulrike Baumgärtner hat bereits Interesse an einer Bewerbung bekundet. Es gibt Spekulationen, dass Palmer als unabhängiger OB-Kandidat ins Rennen gehen könnte.

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