Süddeutsche Zeitung

Linksextremismus:Mehr als nur Kampf gegen rechts

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Richard Rohrmoser wollte ein Porträt der Antifa als linksradikale Bewegung schreiben, herausgekommen ist aber ein allzu allgemeiner historischer Abriss über den Faschismus.

Von Nicolas Freund

Links und rechts werden ja gerne gegeneinander aufgerechnet. Besonders, wenn es um Straftaten aus den radikaleren Ecken des Spektrums geht. Das ist oft wichtig, um einen Vergleich zu schaffen, denn linksextremistische Verbrechen werden polizeilich meist konsequenter und härter verfolgt als rechtsextremistische, obwohl Letztere wesentlich häufiger und oft auch brutaler sind. Das ist ein großes Versäumnis deutscher Sicherheitsbehörden, das noch einen anderen Nebeneffekt hat: Diese ungleiche Behandlung von institutioneller Seite hat auch dazu geführt, dass Gewalt von links in manchen Kreisen im Umkehrschluss verharmlost wird, da die rechtsextreme ja eigentlich viel schlimmer ist. Auch deshalb sind rechtsextremistische Verbrechen in Deutschland von Journalisten, Aktivisten und Wissenschaftlern sehr gut dokumentiert im Gegensatz zu linksextremistischen, die zwar von den Behörden verfolgt, aber wesentlich seltener thematisiert und aufgearbeitet werden.

Das Buch "Antifa. Porträt einer linksradikalen Bewegung. Von den 1920er Jahren bis heute" von dem Historiker Richard Rohrmoser verspricht also, einen in der breiten Öffentlichkeit eher wenig bekannten Bereich des Linksextremismus auszuleuchten, nämlich jene Bewegung, die sich schon in ihrem Namen über den Kampf gegen rechts definiert. Oder anders gesagt: Die Antifa unterscheidet sich von anderen linken Bewegungen durch ihre konstitutive Ansage gegen Rechtsextremismus und durch ihre Bereitschaft, Ziele auch mit Gewalt zu erreichen, tritt damit öffentlich aber gar nicht so oft in Erscheinung.

Auftakt in der Weimarer Republik

Rohrmoser holt für sein Porträt weit aus, wie der Titel schon sagt. Bei ihm beginnt die Geschichte des "Schwarzen Blocks", der heute bei Demos und Krawallen am 1. Mai wie eine Mischung aus Terrortruppe und selbsternannten Superhelden auftritt, kurz nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Erstarken der rechten Freikorps und dem gleichzeitigen Erstarken der linken politischen Strömungen in der Weimarer Republik, die sofort auch in einem gewaltsamen Kampf mit den Faschisten standen. Die Gründung einer "Antifaschistischen Aktion" unter diesem Namen datiert Rohrmoser auf den 24. Mai 1932, nachdem es am Tag zuvor im Reichstag bei Kämpfen zwischen Mitgliedern der NSDAP und kommunistischen Politikern zu acht Schwerverletzten gekommen war. Das hatte aber natürlich, abgesehen von der Gewalt und der Positionierung gegen Faschisten, noch nicht viel zu tun mit dem, was man heute unter der Antifa versteht.

Auf knapp 50 Seiten gibt Rohrmoser einen Abriss der wichtigsten historischen Ereignisse im Bezug auf den Faschismus und die wichtigsten linken Gegenreaktionen, was aber spätestens, wenn der Zweite Weltkrieg in einem Absatz zusammengefasst wird ("Nach verstärkten Alliierten Luftangriffen auf Deutschland 1942, der Kapitulation der deutschen Armee in Stalingrad im Februar 1943, der Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 und dem Beginn der sowjetischen Großoffensive auf Berlin im Januar folgte am 7./8./9. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht."), etwas planlos und beliebig wird.

Natürlich ist der Kontext der Entstehung einer Anitfaschistischen Aktion wichtig, aber das Buch will eben keine kleine Geschichte des Faschismus und seiner Folgen sein, sondern Porträt einer linksextremen Bewegung. Und wenn von Spartakusbund und KPD über das Frankfurter Institut für Sozialforschung bis zu linken, paramilitärischen Kampfverbänden alle mal aufgezählt werden, die etwas gegen den Faschismus hatten, müsste man dann nicht die sowjetische Offensive gegen Nazideutschland als die größte Anitfa-Aktion aller Zeiten ansehen? Das Problem bei diesem ausführlichen historischen Exkurs ist, dass der Begriff Antifa beliebig wird und zum Synonym für eine grundsätzliche Opposition zum Faschismus, die aber auf weniger als 200 Seiten nicht zu behandeln ist.

Auch in dem historischen Teil nach dem Zweiten Weltkrieg zählt Rohrmoser vor allem wichtige historische Ereignisse vom Historikerstreit bis zu dem Aktivisten Jürgen Elsässer auf, der auch einmal linksextrem unterwegs war und inzwischen als Chefredakteur des Magazins Compact auf die andere Seite des politischen Spektrums gewechselt hat. Das sind alles Ereignisse, an die man durchaus im Kontext einer Beschäftigung mit Rechts- und Linksextremismus in Deutschland erinnern kann, die speziell mit der Antifa aber wenig bis nichts zu tun haben.

Viele wichtige Fragen bleiben offen

Das wäre kein Problem, wenn man dieses Buch anders lesen würde, zum Beispiel als eine Chronik des Versagens im Kampf gegen rechts vom Ende des Ersten Weltkriegs bis in die Gegenwart. Denn das ist dieses Buch eigentlich. Nur wartet man als Leser fast bis zum Ende, wenn ein paar linke Strömungen vorgestellt werden und auf knapp zwanzig Seiten eine kurze Auseinandersetzung mit der Antifa heute stattfindet, vergeblich auf das versprochene "Porträt".

Dabei gäbe es da, abgesehen von dem wie gesagt eher schlecht dokumentierten Stand, was Gewalt aus der linken Szene angeht, einige interessante Aspekte: Zum Beispiel die Frage, inwiefern in Deutschland die besondere Stellung des Holocaust und des Faschismus als beispiellose Verbrechen ihrerseits Gewalt im Kampf gegen das Wiedererstarken jeder Form des Faschismus nicht nur in mancher Augen rechtfertigen, sondern sogar erfordern. Die Frage der Antifa muss nicht nur in einem historischen Abriss des Faschismus, sondern auch unter Berücksichtigung des Umgangs Nachkriegsdeutschlands mit dem Faschismus beantwortet werden.

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