Süddeutsche Zeitung

AfD:Strafverfahren im Parteispendenfall um Alice Weidel eingestellt

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In der Affäre um mutmaßlich illegale Spenden des Schweizer Milliardärs Conle kommt die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel glimpflich davon.

Von Sebastian Pittelkow und Katja Riedel, Berlin

Die Akten der "EV Gabe" umfassen viele Hundert Seiten, fast drei Jahre dauerte das Verfahren, nun hat die Staatsanwaltschaft Konstanz es überraschend eingestellt. "Vollumfänglich", wie ein Sprecher auf Anfrage am Montag mitteilte - gegen alle Beschuldigten also. Der Fall, den WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung enthüllt hatten, war spektakulär: Es ging um eine mutmaßlich illegale Parteispende im Jahr 2017 für den Bundestagswahlkampf der damaligen und heutigen AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel. Überwiesen hatte sie der deutsch-schweizerische Milliardär Henning Conle, in 18 Tranchen und über die Tarnfirma eines Schweizer Apothekers.

Doch obwohl die AfD nach Ansicht des Bundestags für diese Spende eine hohe Strafe zahlen soll, bleibt sie für Weidel und drei weitere Funktionäre ihres Kreisverbands straffrei. Davon hat die Staatsanwaltschaft die vier Beteiligten offenbar mündlich in Kenntnis gesetzt. Strafrechtlich findet die Affäre um den Verdacht von Untreue und Verstößen gegen das Parteiengesetz für die Frontfrau der Partei damit ein glimpfliches Ende.

Ein Sprecher Weidels teilte WDR, NDR und SZ mit, dass Weidel nie ein schuldbares Handeln vorzuwerfen gewesen sei. "Frau Dr. Weidel nimmt diesen Umstand mit Genugtuung zur Kenntnis, sind damit doch allen haltlosen Spekulationen in der Öffentlichkeit endgültig die Grundlage entzogen."

Jahrelang hatten die Beamten offenbar versucht, Licht in einen entscheidenden Zusammenhang zu bringen. Das zeigen auch die Verfahrensunterlagen (Aktenzeichen 40 Js 27643/18), die NDR, WDR und SZ exklusiv vorliegen. Die Kernfrage war: Haben sich Spender und Empfänger zur späteren Zahlung ausgetauscht, gar abgesprochen? Im abschließenden Ermittlungsbericht des LKA Baden-Württemberg vom Dezember 2020 heißt es dazu: "Hinweise und Indizien darauf, dass es zwischen den Spendern Conle und dessen Helfern und den verantwortlichen Beschuldigten des Kreisvorstandes der AfD Bodensee im Vorfeld des Spendenflusses im Zeitraum Sommer 2017 bis April 2018 eine Verbindung gab, lässt sich nach den Ermittlungen nicht aufzeigen."

Die Spur des Geldes

Doch auch nachdem die Ermittlungen nun abgeschlossen sind, bleibt vieles offen in dem rechtlich vertrackten Fall: Nur wenige Monate vor der Bundestagswahl 2017 flossen die ersten Tranchen von insgesamt 132 000 Euro von der Pharmafirma des Zürcher Apothekers auf das Konto der AfD Bodenseekreis. Der Verwendungszweck lautete: "Wahlkampfspende Alice Weidel Socialmedia".

Parteispenden aus dem Nicht-EU-Ausland von mehr als 1000 Euro sind laut Parteienrecht illegal. Die Verantwortlichen in der AfD entschieden sich erst etwa ein Dreivierteljahr später, die Spende an den Apotheker zurückzuüberweisen. Zwischenzeitlich hatte Weidel mit mehreren Tausend Euro der Spende unter anderem Rechnungen eines Beraters und eines Medienanwalts sowie einer Social-Media-Firma bezahlt. Die für Parteispenden zuständige Bundestagsverwaltung war über die Spende aus der Schweiz nie in Kenntnis gesetzt worden.

Mithilfe einer Firma des Apothekers hatte Milliardär Conle offenbar versucht, seinen Namen aus der Angelegenheit herauszuhalten, so deuten es Ermittler in den Akten des Strafermittlungsverfahrens an. Zu den Mitteln der Verschleierung gehörte auch eine Liste angeblicher Spender, die jedoch zu Strohleuten führte. Diese gefälschte Liste hatte dann die Pharmafirma der AfD geschickt, die sie bei der Bundestagsverwaltung einreichte.

Auf die Spur des wahren Geldgebers waren die Ermittler schon sehr früh gekommen. Kurz nach Enthüllung der Affäre war bei der Staatsanwaltschaft Konstanz eine anonyme Anzeige eingegangen, die Conle verdächtig machte. "Ich bin überzeugt, dass es sich bei dem Spender um Henning Conle Senior handelt. Er ist Immobilienunternehmer und Architekt im Ruhestand. Er hat mir gegenüber folgende Aussage gemacht: Die AfD ist jetzt endlich mal eine Partei, der man sein Geld geben kann." So ist es in den Ermittlungsakten zu lesen.

Für die Weitergabe dieser Information könnten laut Recherchen von Correctiv und "Frontal 21" einige hochrangige Funktionäre infrage kommen. Demnach hatte sich die ehemalige Parteichefin Frauke Petry mehrfach und der heutige Parteichef Meuthen einmal mit dem Milliardär getroffen.

Dubiose Überweisungen nahmen ihren Weg

Die Dokumente decken weitere Ungereimtheiten auf: Obwohl der Bodenseekreis-Verband der AfD im April 2018 beschlossen hatte, das Geld der Pharmafirma zurückzuüberweisen, floss es offenbar nicht zurück an den wahren Spender Conle. Stattdessen gingen von dem Konto des Apothekers dubiose Überweisungen an Firmen und Einzelpersonen: So übernahm dessen Pharmafirma etwa für eine Unternehmerin eine fünfstellige Hotelrechnung in Leipzig und zahlte zwei Männern aus Franken hohe Summen. Sie hätten sich damals in finanzieller Schieflage befunden, der Apotheker habe sie unterstützt, teilte einer der Männer auf Anfrage mit.

Mehrere Empfänger gaben gegenüber den Reportern an, nichts von einer Verbindung zur AfD-Spende zu wissen. Auch die Ermittler sahen offenbar keine Anhaltspunkte dafür, dass über diese Konstruktion Geld womöglich verdeckt wieder an die AfD zurückgeflossen sein könnte. Ob der Apotheker dem Milliardär das Geld auf anderem Weg als per Überweisung zurückgab, bleibt unklar. Conle und er wollten sich auf Anfrage nicht äußern. Auch den deutschen Ermittlern war es, trotz Rechtshilfe aus der Schweiz, nicht gelungen, den Milliardär zu vernehmen.

Die Akten zeigen zudem, dass der Apotheker und einer seiner in die Abwicklung der Spende involvierten Manager keine unbeschriebenen Blätter sein sollen: Wegen "verschiedener Delikte (Verdacht auf Geldwäscherei, Inumlaufsetzen von Falschgeld, Betrug, Veruntreuung)" lägen in der Schweiz polizeiliche Erkenntnisse oder Einträge in den jeweiligen Registern vor.

Nach Aktenlage war die Pharmafirma offenbar nicht der einzige Verschleierungsweg, den Milliardär Conle genutzt haben könnte, um die AfD zu unterstützen. Spuren führten über die falschen Spenderlisten auch zur Schweizer Werbeagentur Goal AG. Sie agiert seit Jahren als eine Art Drehscheibe für die Unterstützung rechter Parteien. Die Goal AG war in mehrere fragwürdige Finanzierungsfälle zugunsten der AfD verwickelt, darunter Wahlkampfhilfen für Parteichef Jörg Meuthen. In seinem und einem weiteren Fall gab es ebenso fingierte Spenderlisten, deren Spuren sowohl zur Goal AG als auch ins Umfeld von Henning Conle führten. Die Spuren, die im Fall Bodensee zur Goal-AG und damit zu einer Aufklärung der gesamten Spendenaffäre hätten führen können, wurden jedoch im Zuge der Ermittlungen nicht bis zu Ende verfolgt.

Obwohl die Staatsanwaltschaft Konstanz die Akten zugeklappt hat, ist der Fall Bodensee nicht ganz beendet. Schon 2020 hatte die Bundestagsverwaltung, die im Sinne des Parteienrechts ein eigenes Verfahren führte, der AfD einen Strafbescheid über 396 000 Euro geschickt. Die Verwaltung ist für Parteispenden zuständig und hatte die Zahlung in einem Prüfverfahren als illegale Parteispende eingestuft. Die Beamten kamen zu dem Urteil, dass die Gelder illegal vereinnahmt worden waren, trotz späterer Rücküberweisung. Die AfD klagte gegen den Strafbefehl und unterlag im Juni in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Inzwischen hat sie Revision beantragt.

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