Süddeutsche Zeitung

50 Jahre Kuba-Krise:Lagebesprechung in den Morgenstunden

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Am frühen Morgen des 16. Oktober 1962 wird US-Präsident Kennedy darüber informiert, dass in Kuba Abschussrampen für sowjetische Atomraketen entdeckt wurden. Es ist der Moment, in dem die Kuba-Krise, von der die Welt noch nichts weiß, das Weiße Haus erreicht.

Hubert Wetzel

Es gibt Neuigkeiten, die erfährt man nicht gerne im Schlafanzug. Doch McGeorge Bundy, Sicherheitsberater des amerikanischen Präsidenten, konnte am Morgen des 16. Oktober 1962 keine Rücksicht auf Etikette nehmen. Am Abend zuvor war er von der CIA darüber unterrichtet worden, dass im kommunistisch beherrschten Kuba bei einem Aufklärungsflug mehrere Abschussrampen für sowjetische Atomraketen entdeckt worden waren. Nun, gegen 8:45 Uhr, informierte Bundy den eben erst aufgestandenen Präsidenten John F. Kennedy über die Entdeckung. Die Kuba-Krise, von der die Welt freilich noch nichts wusste, hatte das Weiße Haus erreicht.

Damit begannen jene berühmten "Dreizehn Tage" der Krise, die Robert Kennedy, damals Justizminister in der Regierung seines Bruders und dessen engster Vertrauter, später in seinem gleichnamigen Buch beschrieben hat. Nur wenige Stunden nach Bundys Besuch im Schlafzimmer des Präsidenten traf sich Kennedy zum ersten Mal mit einer handverlesenen Gruppe von Ministern, Generälen und Beratern - dem sogenannte Executive Committee, das während der gesamten Krise oft mehrmals pro Tag zusammentrat.

Das Ziel, das bei dieser Sitzung festgelegt wurde, war eindeutig: Die Raketenstellungen auf Kuba mussten verschwinden. "Wir wussten, dass wir handeln müssen", schrieb Robert Kennedy. "Die USA konnten nicht hinnehmen, was die Russen getan hatten." Präsident John F. Kennedy wollte sich vom sowjetischen Partei- und Regierungschef Nikita Chruschtschow nicht noch einmal - wie bei ihrem Treffen in Wien im Juni 1961 - "verprügeln" lassen. Doch wie die USA den Abzug der Raketen erreichen können, darüber wurde in der Gruppe gestritten.

Die Vertreter der Armee - mit der rühmlichen Ausnahme von Generalstabschef Maxwell Taylor - plädierten für einen sofortigen Militärschlag gegen Kuba, der mit Luftangriffen beginnen und mit einer Invasion enden sollte. Kennedy war sich angesichts des sehr realen Risikos, dass ein solcher Angriff in einen Atomkrieg mit den Sowjets münden könnte, nicht so sicher. Er misstraute dem Militär. Generäle, so soll der Präsident einmal gelästert haben, hätten einen großen Vorteil: "Wenn wir tun, was sie uns raten, wird danach niemand von uns mehr am Leben sein, um ihnen zu sagen, dass sie falsch lagen."

Auch Verteidigungsminister Robert McNamara warnte vor Militärschlägen. Er vertrat sogar die These, dass die Atomraketen auf Kuba - nur 150 Kilometer von Florida entfernt - keinerlei Folgen für das militärische Gleichgewicht zwischen Amerika und den Sowjets hätten. Da beide Seiten einander ohnehin in die Steinzeit bomben könnten, änderten ein paar Dutzend weitere Sprengköpfe auf Kuba nichts an der strategischen Balance, sagte er zu Kennedy. "Überhaupt nichts." McNamara brachte zunächst ein anderes Zwangsmittel ins Spiel: eine Blockade Kubas, um die Lieferung weiterer Raketenteile zu verhindern. Eine Entscheidung fällte Kennedy an diesem Tag noch nicht.

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Quelle:
SZ vom 16.10.2012
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