Süddeutsche Zeitung

Vatikan:Franziskus' Kampf mit den Glaubensbrüdern

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Der Papst hat zwei konservative Kurienkardinäle beurlaubt. Ihre Ablösung ist mehr als eine Umbildung in der vatikanischen Regierung. Sie legt einen Machtkampf offen, der seit Jahren tobt.

Kommentar von Stefan Ulrich

Das Wort Kardinal entspringt dem lateinischen cardo, was Dreh- und Angelpunkt bedeutet. Die Kardinäle sind Dreh- und Angelpunkte der katholischen Weltkirche, sie halten sie zusammen und in Bewegung. Besonders gilt das für die Kurienkardinäle, die vom Vatikan aus die Kirche regieren. In den vergangenen Tagen sind gleich zwei dieser Kurienkardinäle aus den Angeln gehoben worden, um im Bilde zu bleiben. Erst wurde der Finanzchef George Pell beurlaubt, dann trennte sich Papst Franziskus vom Präfekten der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller. Die Ablösung der führenden Glaubensbrüder ist weit mehr als eine normale Regierungsumbildung: Sie ist Ausdruck eines Machtkampfs, der seit Jahren, oft im Verborgenen, im Vatikan tobt.

Dabei geht es im Kern um einen Kampf zwischen Konservativen und Reformatoren, wie ihn die Kirche in ihrer Geschichte oft erlebt hat. Die Konservativen, darunter Pell und Müller, wollen die Reinheit der Lehre und die Kraft der Tradition verteidigen, damit die Kirche sich treu bleibt und nicht zum unverbindlichen Klub der Wohlmeinenden verkommt. Doch geht es manchen Konservativen auch um die Macht an sich, die Macht der Zentrale und ihrer Kirchenführer über die Gläubigen.

Die Reformer wiederum möchten die Kirche stärker auf die Welt von heute einstellen, damit sie ihre Mission besser erfüllen kann. Sie argumentieren eher pragmatisch als dogmatisch, gehen lieber in die unreine Welt hinaus, als sich in der reinen Lehre einzubunkern. Sie erwägen etwa, Geschiedene, die wieder geheiratet haben, zu den Sakramenten zuzulassen und Frauen zu Diakoninnen zu machen. Und sie setzen ihre Hoffnungen in Papst Franziskus, der jedoch gerade im Vatikan auf zähen Widerstand stößt.

Der Papst musste die Kardinäle Müller und Pell endlich ablösen

Überlagert wird dieser Kampf durch den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche, den Skandal zu nennen eine grobe Untertreibung ist. Über Jahrzehnte haben Priester in vielen Ländern unzählige Schutzbefohlene, darunter zahlreiche Kinder, missbraucht und dadurch oft deren Leben zerstört.

Etliche Bischöfe und Kardinäle haben diese Wölfe im Hirtenpelz ignoriert oder sogar geschützt, vorgeblich, um das Ansehen der Kirche zu wahren und den Tätern einen Neuanfang zu ermöglichen. Diese Kirchenführer haben sich am Leid der Opfer mitschuldig gemacht und die Glaubwürdigkeit der Kirche erschüttert. Dem australischen Kardinal Pell wird seit Langem vorgeworfen, sowohl Täter als auch Vertuscher gewesen zu sein. Franziskus hätte ihn, trotz all seiner Fähigkeiten, nicht zum Kurienkardinal machen dürfen. Seine Beurlaubung jetzt, da die Staatsanwaltschaft ermittelt, ist überfällig.

Der deutsche Kardinal Müller wiederum, den schon Papst Benedikt XVI. zum Chef der Glaubenskongregation gemacht hatte, diente dem neuen Papst nicht loyal. Er hintertrieb dessen Öffnungskurs und setzte sich immer wieder öffentlich von Franziskus ab. Der Papst hat Müller wohl auch deshalb so lange ertragen, weil er seinen Vorgänger Benedikt nicht konterkarieren wollte. Doch Müller war als Präfekt der Glaubenskongregation auch dafür verantwortlich, die Missbrauchsfälle in der Kirche aufzuklären und zu bestrafen. Ihm wird vorgeworfen, die massenhaften Verbrechen als Einzelfälle relativiert und die Verfahren zu langsam geführt zu haben. Franziskus musste ihn ersetzen.

Leichter wird die Aufgabe des Papstes nun nicht. Er muss erstens dafür sorgen, dass die Arbeit Pells fortgeführt wird, der als Finanzchef für Transparenz und gegen Korruption gekämpft hat. Er muss zweitens darauf bestehen, dass die Missbrauchsfälle rascher und härter angegangen werden. Und er muss drittens darauf achten, dass die Ultrakonservativen unter seinen Kritikern die Kirche nicht spalten.

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Quelle:
SZ vom 03.07.2017
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