Süddeutsche Zeitung

Sprache:"Remigration" ist "Unwort des Jahres"

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Die Jury der sprachkritischen Aktion wählt einen Begriff, den Rechtsextremisten nutzen, um Zwangsausweisungen oder "Massendeportationen von Menschen mit Migrationsgeschichte" zu verschleiern.

Von Kassian Stroh

Das "Unwort des Jahres" 2023 lautet "Remigration". Das hat die sprachkritische "Unwort"-Aktion bekannt gegeben. Das Wort sei bei rechten und rechtsextremen Gruppen "zu einem Euphemismus für die Forderung nach Zwangsausweisung bis hin zu Massendeportationen von Menschen mit Migrationsgeschichte geworden", heißt es in der Begründung. Es sei ein "rechter Kampfbegriff" und ein Ausdruck, der die tatsächlichen Absichten verschleiere.

Eigentlich stamme der Begriff aus der Migrations- und Exilforschung und umfasse verschiedene, vor allem freiwillige Formen der Rückkehr - etwa die Rückkehr jüdischer Menschen aus dem Exil nach 1945, schreibt die Jury. Nun aber werde er "bewusst ideologisch vereinnahmt und so umgedeutet, dass eine - politisch geforderte - menschenunwürdige Abschiebe- und Deportationspraxis verschleiert wird".

In vielen Nachrichten zu lesen war das Wort erst in der vergangenen Woche, als bekannt wurde, dass Vertreter der rechten AfD Ende November mit Figuren aus dem rechtsextremen Spektrum darüber beraten haben, wie eine Machtübernahme von rechts außen gelingen und was dann passieren soll. Dabei diskutierten die gut zwei Dutzend Teilnehmer nach einem Bericht des Recherchenetzwerks Correctiv insbesondere darüber, wie man die "Remigration" von Zuwanderern aus Deutschland in Gang setzen könne, also eine Aussiedlung von Millionen Migranten - und zwar auch von Deutschen aus Einwandererfamilien.

Als "Unwort des Jahres" kürt eine fünfköpfige Jury aus Sprachwissenschaftlern jedes Jahr einen Begriff, der aus ihrer Sicht gegen die Prinzipien der Menschenwürde oder Demokratie verstößt, der gesellschaftliche Gruppen diskriminiert oder der euphemistisch, verschleiernd oder irreführend ist. Im vergangenen Jahr wurde das Wort "Klimaterroristen" gewählt. Mit der Aktion soll für einen angemessenen Sprachgebrauch sensibilisiert werden.

Auf den zweiten Platz setzte die Jury den Begriff "Sozialklimbim" aus der Debatte über die Kindergrundsicherung. Dadurch würden Menschen mit wenig Einkommen oder Vermögen "herabgewürdigt und diffamiert, als handle es sich bei sozialen Transferleistungen, die Menschen ein Leben in Würde sichern sollen, um unnützes Beiwerk oder sinnloses Getue". Insbesondere würden Kinder stigmatisiert, argumentiert die Jury. Auf Platz drei landete "Heizungs-Stasi" als "Stimmungsmache gegen Klimaschutzmaßnahmen", die so als "diktatorische Repressionen" dargestellt würden.

Bei der Jury waren dieses Mal 2301 Einsendungen eingegangen und damit deutlich mehr als im Vorjahr. Auch "Gratismentalität" als Bezeichnung für die Forderung nach einem für alle bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr sowie "Stolzmonat" als Gegenbegriff zum "Pride Month" und somit als Diskreditierung der LGBTQ-Bewegung waren als Vorschläge genannt worden, wie die Jury mitteilte. Unter den Einsendungen fanden sich zudem die Begriffe "Abschiebepaket" als Bezeichnung für Maßnahmen für schnellere Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber, "Sozialhilfekarriere" als Begriff für Menschen, die von Sozialleistungen leben, oder "Abnutzungskrieg" als Bezeichnung für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Mit Material der Nachrichtenagentur dpa

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