Süddeutsche Zeitung

Bücher von Verwandten:Wenn die Nichte auspackt

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Äußern sich Ex-Partnerinnen und Verwandte von Politikern in Buchform, dann geschieht das meist ungefragt und unerwünscht. Jüngstes Beispiel: das Enthüllungsbuch von Trumps Nichte.

Von Oliver Klasen

"Da kenn' ich keine Verwandten" sagt man manchmal sprichwörtlich, wenn man betonen will, dass einem alle Mittel recht, Skrupel fremd und Loyalitäten egal sind. "Politik ist in gewisser Weise ein Kampfsport", hat Helmut Schmidt mal gesagt, und weil, wie die 68er-Bewegung einst propagierte, auch das Private politisch ist, kämpfen nicht bloß Kanzlerinnen, Minister und Parteichefs, die das etatmäßig tun müssen. Manchmal steigen auch Randfiguren in den Ring. Eben die lieben Verwandten, die sich ungefragt und unerwünscht mit mehreren Hundert Seiten Text öffentlich bemerkbar machen. Enthüllungsbuch heißt das auf Deutsch. Tell-all-book auf Englisch. Erzähle alles.

Das tut zum Beispiel Mary Trump, die Nichte des US-Präsidenten. Deren Buch, das in den USA seit Mitte Juli auf dem Markt ist, kommt an diesem Mittwoch auch in Deutschland heraus, und es ist - Mary Trump ist promovierte Psychologin - eine Familienaufstellung auf 288 Seiten. Sie erklärt, wie Donald Trump unter dem Einfluss des patriarchischen Vaters das wurde, was er ist: ein Narzisst, süchtig nach Aufmerksamkeit, der starke Frauen nicht ertragen kann. Einen catchy Titel hat sie auch gewählt: "Zu viel und nie genug - wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt schuf". Einfacher kann man kaum in die Bestsellerliste kommen.

Ansonsten ist das Feld des Verwandtenbuches mit den Eckpfeilern Lothar Vosseler und Valérie Trierweiler ganz gut abgesteckt. Vosseler, der 2019 verstorbene Bruder von Gerhard Schröder, hatte sich 2004, als Schröder noch regierte, hinreißen lassen, mit einem Autor und einer Literaturagentin ein Buch herauszubringen. Schon der Titel - "Der Kanzler, leider mein Bruder, und ich" - konnte nicht souverän wirken. Vosseler war zuvor im "Big-Brother"-Container und als Kolumnist für ein Boulevardblatt tätig gewesen, vom Spiegel musste er sich böse "der Dauerarbeitslose von Detmold" nennen lassen, und vielleicht wäre ein wohlmeinender Freund vonnöten gewesen, der ihn rechtzeitig zur Seite genommen und gesagt hätte, dass das mit dem Buch keine gute Idee ist.

Valérie Trierweiler, die frühere Lebensgefährtin des ehemaligen französischen Präsidenten François Hollande, war nicht auf Einflüsterer angewiesen. Sie, gelernte Journalistin, konnte selbst aufschreiben, was sie bewegte. Trierweiler hatte, wie der Rest der Republik auch, aus einem Klatschmagazin erfahren, dass ihr François sich regelmäßig einen Helm aufschnallt und so vermeintlich vor Papparazzi geschützt, mit der Vespa zu seiner Geliebten fährt. Sieben Monate nach der Trennung erschien 2014 ihre Abrechnung in Buchform. Ein riskantes Projekt, doch im öffentlichen Diskurs war nicht sie die gebrochene Frau, sondern er der weinerliche Ex, der auf der einen Seite sexistische Sprüche der übelsten Sorte absondert und auf der anderem Seite 29 SMS an einem Abend schreibt, um sie zurückzugewinnen.

In Frankreich sind Bücher der Ex im Politikbetrieb ein beliebtes Genre. Schon Cécilia Attias, die frühere Ehefrau von Nicolas Sarkozy, hatte 2013 eine Autobiografie verfasst, in der sie ihre Flucht aus dem Élysée-Palast beschrieb. Man darf annehmen, dass sich Angela Merkel auf diesem Gebiet wohl kaum Sorgen machen muss.

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