Süddeutsche Zeitung

Tierschutz-Verordnung:Katzenzählung in NRW

Lesezeit: 2 min

Von Bernd Dörries

Vielen war gar nicht klar, dass es noch eine solche Zahl herumstreunender Katzen gibt in Deutschland, dass so viele von ihnen den ganzen Tag irgendwo herumlungern und die Zeit totschlagen. Unter Katzen, so dachten sie, müsse Vollbeschäftigung herrschen, weil das Internet zum großen Teil aus Katzenvideos besteht, für die es wiederum Darsteller braucht.

Tatsächlich leben in Deutschland einige Millionen frei laufende Katzen und gehen ihrem ursprünglichen Lehrberuf nach - dem Herumstreunen und Sichfortpflanzen. Mit so gravierenden Folgen, dass der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) nun die Notbremse ziehen will. Sein Haus setzte eine "Verordnung zum Schutz frei lebender Katzen in bestimmten Gebieten" auf, "die den unkontrolliert freien Auslauf fortpflanzungsfähiger Katzen" beschränken oder verbieten soll.

Transitzonen für kleine Vierpföter

Es klingt ein wenig nach Transitzonen für die kleinen Vierpföter. Die Kommunen dürfen "Schutzgebiete" ausrufen, in denen frei laufende Katzen kastriert, gezählt und untersucht werden sollen. Danach dürfen sie wieder laufen.

Die Opposition hat dem Vorhaben gleich mal den Namen Katzen-Volkszählung gegeben. Im Jahr 1987 ließ die CDU im ganzen Bundesgebiet das Volk zählen, gegen große Widerstände. In Nordrhein-Westfalen führen die Christdemokraten nun den Widerstand gegen die geplante Aktion an. "Die Kommunen haben weder Zeit noch Personal für eine Katzen-Volkszählung", sagt der Landtagsabgeordnete Rainer Deppe. CDU-Landeschef Armin Laschet kennt seit Tagen kaum ein anderes Thema auf Twitter. Remmel wiederum sagt, er habe die Musterverordnung auf Bitten der Kommunen erstellt.

Man kann den Eindruck bekommen, dass in der nordrhein-westfälischen Landespolitik mehr über Kätzchen diskutiert wird als über die Zukunft der Stahlindustrie. Es begann im Mai dieses Jahres, als Umweltminister Remmel aus Tierschutzgründen ein Katzentötungsverbot für die Waidmänner in ein neues Jagdgesetz geschrieben hatte. 7500 Katzen wurden bislang pro Jahr geschossen, damit sollte Schluss sein.

Doch Tausende Jäger protestierten und warnten vor einer Katzenplage mit Opfern unter Vögeln und anderen Kleintieren. Vor dem Oberverwaltungsgericht erstritten sie das Recht, Katzen, die in Lebendfallen gefangen wurden, künftig bei öffentlichen Fundämtern abgeben zu dürfen.

Tierschützer forderten Kastration

Weil das aber keine Dauerlösung ist, versucht es die Landesregierung nun mit einer neuen Musterverordnung: Zu viele Katzen täten der Katzenpopulation nicht gut. Auch Tierschutzorganisationen hatten seit Jahren mehr Kastrationen gefordert. "Anders als bei Wildkatzen regelt sich die Populationsdichte bei Hauskatzen nicht auf natürliche Weise", heißt es im Papier des Ministeriums.

Ohne Impfungen würden sich Krankheiten verbreiten. Deshalb können Kommunen nun nachzählen, wie schlimm die Lage ist. Dazu ergeht aus dem Ministerium folgender Hinweis: "Schmerzen, Leiden und Schäden sind körperliche Zustände bei Katzen, die negativ vom Normalzustand abweichen (. . .) der Tod ist als größtmöglicher Schaden zu werten." Ergebnisse sollen in einigen Monaten vorliegen.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2015
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