Süddeutsche Zeitung

Stromausfall in Hamburg:Schadhaftes Kupferkabel legte Flughafen lahm

Lesezeit: 2 min

Von Peter Burghardt, Hamburg, und Thomas Hummel

Sie wollen nach Rom, "zum Papst", sagt einer, die anderen lachen. Auf diesem göttlichen Trip kann und darf natürlich nichts schief gehen. Eurowings, 12.45 Uhr, alles okay und pünktlich. Die Männer stehen unter der Anzeigetafel am Terminal 2 des Hamburger Flughafens und stellen sich in die Schlange am Check-in, Ziele und Zeiten blinken wieder. Es ist Montag, der Tag nach dem Stromausfall und dem sagenhaften Durcheinander.

Diese Reisegruppe hat Glück. Andere müssen noch warten und sich ärgern, weil ihr Flug gestrichen wurde oder verspätet ist. Vielen fehlt das Gepäck. Doch diese Unordnung ist kein Vergleich zum Sonntag, als stundenlang nichts mehr ging. 30 000 Menschen waren von dem Chaos betroffen, 180 Gestrandete schliefen auf Feldbetten. Über allem schwebt die Frage, die sich auch diese vier Rom-Pilger stellen: Wie kann es sein, dass einer der wichtigsten Knotenpunkte Deutschlands für einen ganzen Tag lahm liegt? Erst am Montag gegen 5 Uhr fuhren Techniker die Systeme wieder komplett hoch.

Am Nachmittag nannte der Flughafen die Ursache: "Eine schadhafte Isolierung an einem Kupferkabel" habe zu einem heftigen Kurzschluss geführt, in der Stromversorgung des eigenen Blockkraftwerks. "Er traf mitten ins Herz", sagte Flughafen-Chef Michael Eggenschwiler. Die Notstrom-Versorgung funktionierte nur eingeschränkt. 42 Kabel auf 540 Metern Länge mussten ausgetauscht werden.

"Die Systeme werden bei einem solchen Vorfall heruntergefahren", sagte Jürgen Ripperger, Leiter der technischen Entwicklung beim Elektronik-Verband VDE. An einem Flughafen gebe es Abstufungen. Vorrang haben die Menschen, die im Gebäude sind. Dann könne man noch landende Flieger abwickeln, "der Rest wird dann abgeschaltet." Erst im Dezember hatte das größte Luft-Drehkreuz der Welt mit dem gleichen Problem gekämpft: In Atlanta fiel der Strom nach einem Kellerbrand mehrere Stunden lang aus, Passagiere saßen in Flugzeugen fest, mehr als 1000 Flüge fielen aus. Im Gebäude öffneten sich nicht einmal mehr die Türen. "Wenn solche Hauptleitungen gekappt werden, dann geht es um immense Kilowatt-Zahlen", so Ripperger. "Es dauert, bis man diese wieder in einen ordnungsgemäßen Zustand bringt."

"Extrem abhängig von elektrischer Versorgung"

So ein Blackout bedient moderne Ängste, denn ohne Strom steht das Leben fast still. Im Mai erlebte die Stadt Lübeck den Totalausfall: Vier Stunden lang ging kein PC mehr und kein Kühlschrank. Polizisten mussten den Verkehr regeln. "Wir sind mittlerweile extrem abhängig von elektrischer Versorgung", sagt Ripperger. Die Zahl der Stromausfälle ist in Deutschland allerdings konstant niedrig.

In Hamburg wird jetzt über die Verantwortung debattiert und über Entschädigungen. 146 Flüge fielen am Sonntag aus, 30 wurden nach Bremen oder Hannover umgeleitet. Doch wer zahlt was? Normalerweise sind nach EU-Recht Fluggesellschaften verantwortlich, wenn die Flüge gecancelt werden oder mit vielen Stunden Verspätung ankommen. Ein solcher Stromausfall allerdings könnte als außergewöhnlicher Umstand betrachtet werden, ohne Schuld für die Airlines.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4001408
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.06.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.