Süddeutsche Zeitung

Prenzlauer Berg: Cäsium in der Straße:Das Strahlenrätsel von Berlin

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Es war nur eine einfache Übungsfahrt mit dem ABC-Messfahrzeug des Deutschen Roten Kreuzes durch die Straßen von Berlin. In Prenzlauer Berg aber schlug plötzlich der Geigerzähler aus - die Hauptstadt hatte ihr Sommerrätsel.

Thorsten Denkler, Berlin

Berichte über Feuerwehrübungen beginnen oft so: Überall Verletzte, überall Blut und Rauch - aber, keine Sorge, es ist nur eine Übung. Am vergangenen Sonntag stand für die Katastrophenhelfer des Berliner Landesverbandes des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) einmal mehr die Probe für den Ernstfall an: Abwehr von Gefahren durch atomare, biologische und chemische Stoffe (ABC-Abwehr).

Die Übung nahm für die ehrenamtlichen DRK-Katastrophenschützer jedoch eine überraschende Wende.

Plötzlich schlug der Geigerzähler aus

Das DRK Berlin verfügt über zwei Messwagen mit ABC-Ausrüstung. Auch in einer Übung gibt es immer etwas zu messen - die Werte liegen nur alle üblicherweise im Normbereich. Doch das war plötzlich anders, als die Katastrophenhelfer mit dem Messwagen die Stargarder Straße im Berliner Szenebezirk Prenzlauer Berg abfuhren.

Der Geigerzähler schlug aus: Mit zehn Mikrosievert pro Stunde überstieg die Messung die normale Umgebungsstrahlung um das 50.000fache. Und niemand konnte sagen, woher diese Strahlung kam.

Berlin hatte sein Sommerrätsel.

Die geheimnisvolle Strahlenquelle wurde ziemlich genau auf einem Punkt am Straßenrand verortet. Die alarmierte Polizei sperrte den Straßenabschnitt umgehend ab und markierte die Stelle mit einem Kreidekreis.

Zur Sicherheit wurden Metallplatten auf den Punkt gelegt und darüber als zusätzliche Abschirmung ein Auto geparkt. Danach sei an dieser Stelle die Strahlenbelastung sogar geringer gewesen als in der Umgebung, gab das eingeschaltete Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (LAGetSi) Entwarnung.

Dessen Mitarbeiter rückten mit Schutzanzügen und Messgeräten an. So ausgerüstet machten sie sich am Montag daran, die etwa einen halben Quadratmeter große kontaminierte Fläche genauer unter die Lupe zu nehmen.

"Es gibt keinen Grund zur Panik"

Stück für Stück trugen sie die Straßendecke ab, buddelten in der Erde, ließen ihre Geigerzähler darüber kreisen. Auch das Landeskriminalamt war vor Ort: Das Gesundheitsschutzamt hatte vorsichtshalber Anzeige gegen unbekannt erstattet.

Auch der für den Tiefbau in dem Bezirk zuständige bündnisgrüne Stadtrat Holger Kirchner fand sich ein: "Es gibt keinen Grund zur Panik", sagte er. Was in der Regel nicht Gutes verheißt.

Gestern um 20:30 Uhr war dann das Strahlenrätsel von Prenzlauer Berg gelöst. Die Landesamt-Mitarbeiter hatten ein kleines, etwa zigarettenlanges Röhrchen unter einer Teerfuge gefunden. Darin: geringe Mengen des hochradioaktives Stoffes Cäsium 137. Derartige Röhrchen werden verwendet, um die Dichtigkeit von Abwasserrohren zu prüfen. Die Behörden vermuten, dass es bei Straßenbauarbeiten in der Erde vergessen wurde.

Laut dem Gesundheitsschutzamt bestand zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die Bevölkerung. Ein Sprecher sagte, dafür hätte man schon 50 Stunden auf dem Fleck mit der höchsten Strahlendosis stehen müssen. Nur dann wäre die Sache gesundheitsschädlich gewesen.

Berlins Sommerrätsel ist gelöst.

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