Süddeutsche Zeitung

Fischsterben in der Oder:Umweltkatastrophe könnte sich auf Ostsee ausweiten

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Das Umweltministerium in Mecklenburg-Vorpommern rechnet mit Auswirkungen des Fischsterbens in der Oder auf das Stettiner Haff. Polen setzt derweil eine Belohnung für Hinweise auf Täter aus.

Das massenhafte Fischsterben in der Oder beunruhigt seit Tagen die Menschen, die in Polen und Deutschland an dem Fluss leben. Das Umweltministerium in Mecklenburg-Vorpommern rechnet inzwischen mit Auswirkungen auf die Ostsee und das Stettiner Haff. Es sei damit zu rechnen, dass die Belastungen, je nach Wind- und Strömungsverhältnissen, die Odermündung nahe der polnischen Stadt Stettin bereits am Abend erreichen, schrieb das Ministerium in einer Mitteilung. Im Verlauf des Samstags könnte dann auch der vorpommersche Teil des Stettiner Haffs betroffen sein.

Das Ministerium von Till Backhaus (SPD) rief die Anlieger vorsorglich dazu auf, auf das Fischen und jegliche Wasserentnahme zu verzichten. Die zuständigen Behörden in Mecklenburg-Vorpommern bereiten demnach aktuell Gewässer- und Fischproben vor. Was zu der Katastrophe geführt haben könnte, ist noch nicht klar. Bisherige Laboranalysen brachten noch keinen genauen Aufschluss über die Belastung des Wassers.

Da die Ursache für die Verunreinigung in Polen vermutet wird, wurden in Deutschland bereits Vorwürfe laut, das Nachbarland habe nicht rechtzeitig Informationen herausgegeben und die übliche Meldekette bei solchen Ereignissen nicht eingehalten. Die polnische Regierung und die Behörden stehen daher unter Druck, bereits Ende Juli haben sie erste Hinweise darauf bekommen, dass in dem Fluss massenweise verendete Fische treiben.

Mittlerweile hat Polen eine hohe Belohnung für Hinweise ausgesetzt, die zur Ergreifung der Täter führen. Die Polizei habe dafür eine Summe von umgerechnet 210 000 Euro ausgelobt, sagte Vize-Innenminister Maciej Wasik. "Wir wollen die Schuldigen finden und die Täter des Umweltverbrechens bestrafen, um das es hier wahrscheinlich geht", betonte Regierungschef Mateusz Morawiecki. Am Freitagabend hatte Morawiecki bereits den Chef der Wasserbehörde und den Leiter der Umweltbehörde entlassen.

Naturschützer bewerteten das Fischsterben als Umweltkatastrophe

Die Untersuchungen dauern unterdessen an. Umweltpolitiker und Naturschützer in Deutschland bewerteten das Fischsterben als Umweltkatastrophe. Bisherige Labor-Analysen brachten noch keinen genauen Aufschluss über die Belastung des Wassers und die Ursachen. Nach Angaben von Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel weist die Oder "sehr stark erhöhte Salzfrachten" auf. Das sei "absolut atypisch", sagte der Grünen-Politiker am Freitagabend im RBB-Fernsehen. Vogels Ministerium erklärte, die gemessenen Salzfrachten könnten im Zusammenhang mit dem Fischsterben stehen. "Nach jetzigen Erkenntnissen wird es jedoch nicht ein einziger Faktor sein, der das Fischsterben in der Oder verursacht hat", hieß es in einer Mitteilung.

Der Begriff Salzfrachten bezeichnet im Wasser gelöste Salze. Es handele sich um erste weitere Ergebnisse des Landeslabors Berlin-Brandenburg zu den Tagesproben, die bis zum Freitag an der automatischen Messstation in Frankfurt (Oder) entnommen wurden, erläuterte das Ministerium. Die Ergebnisse seien "noch nicht voll aussagefähig und nicht abschließend". Weitere Untersuchungsdaten "insbesondere zu Schwermetallen, Quecksilber (in weiteren Proben) und anderen Elementen" befänden sich noch in dem Labor in Abklärung und sollen in der kommenden Woche verfügbar sein.

"Die heutigen Daten weisen auf multikausale Zusammenhänge hin, zu denen auch die derzeit sehr niedrigen Abflussmengen und hohen Wassertemperaturen gehören." Mit Blick auf möglicherweise erhöhte Quecksilberwerte sagte Vogel, das werde weiter überprüft. Es könne sich um eine lokale Erscheinung handeln. Auf die Frage, ob Grundwasser oder Trinkwasser kontaminiert sein könnten, antwortete der Minister: "Das wollen wir nicht hoffen." Es sei auf jeden Fall "eine tödliche Fracht", die in dem Fluss mittransportiert worden sei.

Unterdessen tauschte sich Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) in einer Schalte mit ihrer polnischen Amtskollegin aus. Bei Twitter schrieb Lemke: "Prioritär sind jetzt Schadensbegrenzung, der Schutz der Bevölkerung und das Identifizieren der Ursache und des/der potentiellen Täter/s." In Brandenburg sollten am Wochenende die Ufer gesäubert und Kadaver eingesammelt werden.

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