Süddeutsche Zeitung

Unruhen in Londonderry:Frau bei "terroristischem Vorfall" in Nordirland erschossen

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Am Rande der nordirischen Stadt Londonderry ist eine 29-Jährige bei gewaltsamen Ausschreitungen ums Leben gekommen. Die Schüsse würden als "terroristischer Vorfall" behandelt, teilte die örtliche Polizei in der Nacht zum Freitag mit. Es wurden Mordermittlungen eingeleitet.

Nach Angaben der Polizei und mehrerer Medien handelt es sich bei der getöteten Frau um eine Journalistin aus Belfast, die sich intensiv mit der Gewalt in Nordirland auseinandersetzte. Ob die Schüsse in Zusammenhang mit ihrer Arbeit stehen, ist jedoch unklar. Eine Reporterin des Belfast Telegraph schrieb über Twitter, sie sei in der Nähe eines Polizeifahrzeugs neben der 29-Jährigen gestanden, als diese zu Boden gegangen sei. Die Polizei habe sie dann direkt ins Krankenhaus gebracht.

Zuvor hatte die Polizei darüber informiert, dass in der Wohnsiedlung Creggan Brandsätze geschleudert und mehrere Schüsse abgefeuert worden seien. Auf Bildern vom Ort des Geschehens waren brennende Autos, gepanzerte Einsatzfahrzeuge der Polizei und schwer bewaffnete Sicherheitskräfte zu sehen.

Bezug zur "New IRA" vermutet

Hintergrund des Einsatzes sollen Hinweise auf geplante Anschläge durch republikanische Kräfte in Londonderry gewesen sein. Nach Polizeiangaben liefen daher in der Nacht auf Freitag Durchsuchungen in Creggan. "Gegen 23 Uhr britischer Zeit tauchte ein Bewaffneter auf und feuerte eine Reihe von Schüssen auf die Polizei", sagte der stellvertretende Polizeipräsident Nordirlands, Mark Hamilton, nach Angaben der BBC. Dabei sei die Journalistin angeschossen worden, die 29-Jährige sei im Krankenhaus ihren Verletzungen erlegen. Hinter der Gewalt stecke wahrscheinlich die "New IRA", erklärte Hamilton. Die Organisation war 2012 aus verschiedenen Splittergruppen hervorgegangen, die mit Waffengewalt die Wiedervereinigung Irlands anstreben. Sie wird in der EU und den USA als terroristische Vereinigung eingestuft.

Londonderry hat rund 85 000 Einwohner und liegt im äußersten Nordwesten der nordirischen Provinz an der Grenze zur Republik Irland. Dort wohnen vor allem Katholiken, die ihre Stadt schlicht Derry nennen.

In dem britischen Landesteil gab es zuletzt immer wieder Nachrichten von paramilitärischen Gruppierungen. Seit Jahresbeginn sind wiederholt Sprengsätze in Londonderry explodiert, ohne dass es dabei Verletzte gab. Eine Bombe detonierte im Januar vor einem Gericht mitten in der Stadt, nachdem kurz zuvor eine Warnung bei den Behörden eingegangen war. Unklar war zunächst, ob die neuerlichen Unruhen im Zusammenhang mit dem Osterwochenende stehen, das traditionell für politische Kundgebungen genutzt wird.

Im Zuge der Brexit-Verhandlungen waren die Sorgen gewachsen, dass die drohende Einführung von Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und der auch künftig zur EU gehörenden Republik Irland die Gewaltspirale in der ehemaligen Bürgerkriegsregion wieder in Gang setzen könnte. In dem über Jahrzehnte währenden Konflikt standen katholische Nationalisten, die eine Vereinigung mit Irland anstreben, protestantischen Unionisten gegenüber, die weiterhin zu Großbritannien gehören wollen.

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