Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Mitten in ...":Fatal umschwärmt

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Eine SZ-Redakteurin lernt auf Sri Lanka die Gastfreundschaft der Schildkröten schätzen. Wären doch nur die Riesenhonigbienen auch so freundlich gewesen! Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten in ... Ella

Sri Lanka bereist, zu den Wolkenmädchen auf den Löwenfelsen geklettert, Teeplantagen-Monokulturen durchwandert, Schildkröten gekrault. Jetzt noch Ella, obligatorisches Foto auf der Nine Arch Bridge. Über uns surrt eine Drohne, die ein Tourist steigen lässt. Plötzlich surrt alles, und nach den ersten zwei Stichen ist klar: Das ist kein freundliches Umschwärmtsein. Rennen über Gleise ist nicht einfach, geht aber, wenn man verfolgt wird. Am Ende der Brücke warten Kokosnuss-Verkäufer. Sie zupfen Stacheln aus Arm und Gesicht, reiben Betelnuss-Schale auf anschwellende Stellen. Die Riesenhonigbienen, die unter der Brücke siedeln, mögen weder Lärm noch Erschütterung. Eigentlich überwachen zwei Polizisten das Drohnen-Verbot. Sind nur heute nicht gekommen. Sie haben einen, man kann es nicht anders sagen: im Stich gelassen. Monika Maier-Albang

Mitten in ... Kapstadt

Ein Restaurant in Kapstadt, ein Tisch für vier. Der Kellner nimmt die Bestellung auf. "Linguine mit Garnelen", sagt Gast eins. Die Miene des Kellners verfinstert sich. "Davon rate ich ab", sagt er. "Die meisten, die Linguine nehmen, essen nicht auf." Das hat der Gast nicht erwartet. "Na dann ...", stammelt er. "Eine Pizza?" "Gute Wahl", sagt der Kellner und wendet sich Gast zwei zu: "Für Sie?" "Pasta mit grünem Pesto", sagt die Frau. Der Kellner verzieht das Gesicht. "Unsere Gerichte sind gut", sagt er. "Nur ausgerechnet diese zwei ..." Die Frau bleibt dabei. "Wie Sie wünschen", sagt der Kellner kühl. Der Rest der Bestellung verläuft ohne Zwischenfälle. Am Tisch wird debattiert: Ist ein ehrlicher Kellner ein guter Kellner? Das Essen kommt. Die Pizza? Okay. Die Pesto-Pasta? Gut und viel. Die Linguine? Man wird es nie erfahren. Paul Munzinger

Mitten in ... Neuschwanstein

"... nowfollowmetotheSängersaal": Mit ausländischen Gästen hat man sich in Schloss Neuschwanstein einer sündteuren Führung angeschlossen; die Fremdenführerin trägt vor, als wolle sie die deutschen Meisterschaften im betonungslosen Herunterleiern von Texten gewinnen. Das "Märchenschloss" Ludwigs II. wird hier eher zum Gruselkabinett, denn Bedienstete treten aus dem Dunkel und fahren die erschrockenen Besucher an: "No photos here!" Nach wenig mehr als 20 Minuten wird die Gruppe wieder herausgelotst aus den Prunkräumen, das war's für die eben noch so erwartungsfrohen Japaner, das französische Ehepaar mit dem dicken Kunstführer, die Selfiejäger aus New York. Die Gruppe wirkt etwas verstört, wurde sie doch soeben einem Phänomen ausgesetzt, das wohl so deutsch ist wie die Burgenromantik: German Lieblosigkeit. Immerhin, der Spuk geht schnell vorbei. Joachim Käppner

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