Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Bester Dinge":Kleiner als ein Salzkorn

Lesezeit: 1 min

63 000 Dollar für eine Handtasche? Das ist natürlich ein Schnäppchen, wenn diese besonders minimalistisch und trageleicht ist.

Glosse von Veronika Wulf

Die Micro-Bags bleiben in Mode. Die winzigen Handtaschen, die aussehen, als hätte man sie der Puppe des eigenen Kindes entwendet, und in denen man gerade mal eine Rolle Zahnseide oder zwei Tampons unterbringt, sind weiterhin in den Kollektionen der Luxusmodemarken zu sehen. Unpraktisch? I wo! Man kombiniert sie einfach mit einer Maxi-Tasche, schreibt die Vogue . Natürlich sind Micro-Bags nicht günstiger als größere Varianten. Im Gegenteil, schließlich braucht man ja besonders kleine Kinderhände - Pardon - Nähmaschinen, um sie herzustellen.

Manche Marken nennen ihre Mini-Taschen auch Nano-Bag, um noch einen drauf beziehungsweise drunter zu setzen. Folglich müsste die nun bei einer Online-Auktion versteigerte Handtasche nach der nächstkleineren Maßeinheit Piko-Bag heißen (Piko = Billionstel). Das würde wohl keiner verstehen, macht aber nichts, denn man kann sie auch kaum sehen. 657 mal 222 mal 700 Mikrometer, also weniger als ein Salzkorn, misst die Miniatur-Tasche, die das kapitalismuskritische Künstlerkollektiv MSCHF im Design eines Luxus-Modells hergestellt hat. Dafür hat jemand laut CNN die doch gar nicht so winzige Summe von 63 000 US-Dollar hingelegt.

Die Piko-Tasche ist selbstverständlich ein völlig logischer Schritt in der modeindustriellen Evolution, die damit begann, dass Frauenkleidern und -hosen die Taschen genommen wurden, damit die Trägerin gezwungen war, sich eine Handtasche zu kaufen. Dumm nur, dass nicht mal mehr eine Kreditkarte hineinpasst, mit der man sich eine zusätzliche Maxi-Tasche kaufen könnte. Dafür findet problemlos ein flaches Zuckerkorn, zwei Eizellen oder ein Pantoffeltierchen (der neue Chihuahua?) darin Platz, aber natürlich nicht alles auf einmal. Das wäre ja größenwahnsinnig.

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