Süddeutsche Zeitung

Weißes Haus:Rosengarten des Grauens

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Melania Trump hat den Rosengarten vor dem Weißen Haus verunstaltet - finden jedenfalls 75 000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner einer Petition. Sie fordern eine Rückverwandlung im Stile Jackie Kennedys. Aber braucht ein moderner Garten nicht etwas ganz anderes?

Von Mareen Linnartz

Richtig frühlingshaft ist es jetzt, Regen wechselt sich mit Sonne ab, die Temperaturen sind angenehm warm, und die weltberühmten Kirschbäume der Stadt durften sich schon in ihrer ganzen zartrosa Pracht zeigen. Lange dürfte es also nicht mehr dauern, dann werden zumindest die weißen Rosen blühen, die Melania Trump im vergangenen Jahr anpflanzen hat lassen, als sie es sich zur Aufgabe machte, den Rosengarten am Weißen Haus, 1600 Pennsylvania Avenue, Washington, D.C., neu zu gestalten. Ihr Werk nannte sie selbstbewusst ein "Zeichen von Hoffnung und Optimismus für die Zukunft", eine Sichtweise, mit der sie weitgehend alleine dastand.

Das sei eher ein "Morose Garden" jetzt, urteilte ein Twitter-Nutzer, ein "mürrischer Garten". Ein Kolumnist befand, aus einem "Paradies" sei ein Parkplatz gemacht worden, ein anderer ätzte, was man nun zu sehen bekomme, sei nicht weniger als ein "Miniatur-Versailles": Formschnittgehölze, die zu unterschiedlich großen Kugeln gestutzt sind, großzügig neu verlegte Steinplatten, am Rand ein paar Rosen und Hortensien in zarten Nuancen, in der Mitte ein seelenloses Stück Rasen.

Das ist vor allem eine leicht unmotiviert wirkende Demonstration domestizierter Natur, der einiges zum Opfer fallen musste: Tulpen in leuchtenden Farben, Rot, Gelb, wurden herausgerissen, herrliche Zierapfelbäume anderswohin verpflanzt, Jackie Kennedy hatte sie Anfang der 60er-Jahre angeschleppt, beziehungsweise ihre Freundin, Rachel Mellon, eine Gartenarchitektin. Die gestaltete das Stück Natur damals so schlüssig, dass es jahrzehntelang weitgehend unverändert blieb.

Und so erscheint es fast folgerichtig, dass wenige Monate nachdem die Trumps mit ihrem leicht überdrehten Neureichen-Geschmack das Weiße Haus verlassen mussten, eine an Jill Biden und Second Gentleman Doug Emhoff gerichtete Petition fordert, sie sollten den weltberühmten Garten vor dem Oval Office wieder zurückverwandeln. Bitte einmal vom Parkplatz wieder zurück ins Paradies. Annähernd 75 000 Menschen haben das Begehren schon unterschrieben. Wenn ein paar goldene Gardinen im Inneren des Zentrums der Macht schon ersetzt und wuchtige Gemälde ausgetauscht worden sind - wäre es dann nicht an der Zeit, auch im Außenbereich klare Zeichen der neuen Regentschaft zu setzen?

Zumal das ja nicht irgendein Garten ist, sondern wie bei allen repräsentativen Flächen dieser Kategorie ein Ort höchster Symbolik. Kindergeburtstage wurden hier gefeiert, Ostereier gesucht, es wurde auch geheiratet - 1971 ehelichte die Tochter Richard Nixons, Tricia, hier einen Edward F. Cox. In solchen Fällen war das Grün dann die perfekte Kulisse für ein paar weichgezeichnete, halb private Bilder aus der Machtzentrale.

Aber es war immer auch ein Ort für Politik: 1993 reichten sich Israels Ministerpräsident Jitzchak Rabin und Palästinenserführer Jassir Arafat im Beisein von Bill Clinton hier die Hände - ein historischer Handschlag. Donald Trump wiederum verkündete 2017 unweit der damals noch stehenden Zierapfelbäume den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen. Als er dort im vergangenen Jahr die Nominierung Amy Coney Barretts zur Richterin am Supreme Court feierte, schuf er damit einen Rosengarten-Superspreader-Event: Mehrere Beteiligte, unter ihnen er selbst, waren danach mit dem Coronavirus infiziert.

Ein moderner Rosengarten sollte Insekten anziehen

Wäre es also nicht auch einfach ein wichtiger symbolischer Akt, den Garten jetzt wieder in seine ursprüngliche Version zurückzuversetzen? Die Gartenbauarchitektin Gabriella Pape, die viele Jahre in England gelebt und gearbeitet hat und heute die Königliche Gartenakademie in Berlin leitet, hält das für keine besonders gute Idee. Für sie ist die Melania-Trump-Interpretation auch nicht unbedingt ein Garten des Grauens, sondern auf seine Weise "stimmig, neutral, korrekt, unemotional", ein "Symbol der Kontrolle", bei dem nichts wirklich falsch gemacht worden sei - aber eben auch wenig richtig.

Aber wo würde sie mit dem Spaten ansetzen? So wie es heute seltener einen Krawattenzwang gäbe, so müssten ja auch repräsentative Gärten nicht mehr unbedingt so aussehen wie noch vor wenigen Jahren, findet Pape - "so ein Garten darf schon schick sein, kann aber auch Lavendel haben, darf bunt sein, durchblühen. Er muss überhaupt keine Hecken haben und Rasen nur dort, wo es wirklich notwendig ist, weil man ein paar Stühle aufstellen will".

Ihr wäre etwas anderes sowieso viel wichtiger: In Zeiten der Klimakrise sollte ein veränderter Rosengarten vor allem ökologisch sinnvoll sein, "angepasst an die klimatischen Bedingungen, ein Garten, der auch Insekten anzieht". So lange, glaubt sie, wird das vielleicht auch nicht mehr dauern. Die riesigen getrimmten Rasenflächen vor dem Weißen Haus, mit ihren irrsinnigen Instandhaltungskosten, die wirken auf sie beispielsweise schon jetzt wie aus der Zeit gefallen: "Da lege ich die Hand dafür ins Feuer: Es wird keine zehn Jahre brauchen, bis daraus eine Wildwiese geworden ist."

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