Süddeutsche Zeitung

Corona:"Das ist wie Weihnachten absagen"

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Karneval noch in diesem Jahr? Unvorstellbar für Gesundheitsminister Spahn. Doch die Veranstalter geben nicht so schnell auf: "Gepflegte Sitzungen" seien durchaus möglich - notfalls ohne Alkohol.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Was jetzt die Jecken im Rheinland bange durchleiden, das hat Karl-Josef Laumann längst hinter sich. Nordrhein-Westfalens beleibter Gesundheitsminister stammt aus dem Münsterland, seine Region hat den Kummer erlebt, der an Rhein und Ruhr noch droht. "Was für manche Menschen hier der Karneval ist", sagt Laumann in Düsseldorf, "das sind da, wo ich herkomme, die Schützenfeste." Und die wurden, zum Entsetzen von Laumanns westfälischen Landsleuten, allesamt dieses Frühjahr von Corona dahingerafft. Also, so blickt der 62-jährige Minister furchtlos drein, was solle ihn noch schrecken? "Nö", er habe keine Angst, von Amts wegen der Spielverderber zu sein, der Rheinländern ihre fünfte Jahreszeit vermiest: Notfalls werde er dies tun, und zwar "ohne mit der Wimper zu zucken".

Wenn's denn sein muss. Wenn sich bis Anfang September nichts ändert an den Infektionszahlen, die zuletzt wieder krass gestiegen sind in Köln, in Düsseldorf und den anderen Karnevals-Hochburgen. "Bei der jetzigen Infektionslage kann ich mir Karneval nicht vorstellen", sagt Laumann (CDU) klipp und klar. Das sei auch nichts Neues, das habe sein Dienstherr - NRW-Ministerpräsident Armin Laschet - sinngemäß bereits vor der Sommerpause im Juni angekündigt. Leicht genervt nuschelt Laumann noch einen Satz: "Das ist jetzt also nicht neu durch Spahn."

Jens Spahn, ebenfalls Münsterländer und Bundesgesundheitsminister in Berlin, war es, der Trubel um Karneval und Fastnacht ausgelöst hatte. Die Rheinische Post hatte am Dienstagabend enthüllt, Spahn könne sich trotz einschlägiger Karriere als Jecke ("Ich war selbst Kinderprinz") nicht mehr vorstellen, dass in diesem Winter "mitten in der Pandemie" geschunkelt und gebützt werde: "Das ist bitter, aber so ist es."

Karneval ohne Alkohol?

Was folgte, waren Abscheu und Entsetzen. Gefolgt von geschmeidigem, eben rheinischem Widerstand. "Karneval absagen, das ist wie Weihnachten absagen," wehrte sich Christoph Kuckelkorn, der Präsident des Festkomitees Kölner Karneval. Will sagen: nicht kaputtbar. Nicht völlig. Kuckelkorn räumte im Interview mit dem WDR zwar ein, dass "der Straßenkarneval, der Kneipenkarneval so Elemente sind, die wir uns nicht vorstellen können." Auch pompöse Bälle seien wohl gefährdet. Aber: Gepflegte Karnevalssitzungen seien, mit Hygiene-Konzepten und strikter Sitzordnung, durchaus denkbar. Corona ließ den Kölner Ober-Narren sogar bisher Undenkbares erwägen: "Vielleicht gibt es ja auch Veranstaltungen, in denen es auch gar keinen Alkohol mehr gibt. Oder nur noch eingeschränkt Alkohol."

Ähnlich vernünftig klangen auch die Reaktionen weiter südlich: Man müsse eben unterscheiden, je nach Größe und der Körpernähe, die bei Bällen, Umzügen oder kleineren Bräuchen gepflegt werde, ließ Roland Wehrle wissen, Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte. Auch der Bund Deutscher Karneval (BDK), mit 2,6 Millionen Mitgliedern eine nationale Macht, räumte ein, die Session 2021 werde nicht alle jecken Veranstaltungsformate erleben. Man sei längst dabei, kreativ neue Feierformen zu entwickeln. Die Politik dürfe diese Entwicklung jetzt nicht abwürgen, bat das BDK-Präsidium: "Denn noch immer gilt auch für den Karneval - Not macht erfinderisch!"

Karl-Josef Laumann, der Fan der Schützenfeste, stimmte da völlig zu. Noch sei es zu früh für eine Entscheidung. Erst wolle man abwarten, ob die Neuinfektionen nicht doch zurückgehen während der nächsten zwei bis drei Wochen und "nach der Reise-Rückkehrerei", die derzeit die Corona-Statistiken verhageln. So sei's mit den großen Karnevalsvereinen seit Juni vereinbart gewesen: "Und es ist ja noch fünf Monate hin." Laumann sagt das mit dem Selbstbewusstsein desjenigen, der das letzte Wort hat: Der Landesminister, nicht sein Parteifreund Spahn ist zuständig für die Karnevalsregeln im Rheinland.

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