Süddeutsche Zeitung

Vereidigung:Farben der Zuversicht

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Joe Biden, Jill Biden, Kamala Harris - alle trugen zur Vereidigung amerikanische Designer. Soweit erwartbar. Aber dann waren da ja auch noch Lady Gaga und Jennifer Lopez. Eine Betrachtung unter stilistischen Aspekten.

Von Silke Wichert

Zumindest kann man Melania Trump nicht vorwerfen, dass sie auf den letzten Metern klein beigegeben hätte. Bei ihrem letzten Auftritt vor dem Weißen Haus trug die Noch-First-Lady eine Jacke aus einer früheren Métiers-d'Art-Kollektion von Chanel, so ungefähr das Teuerste vom Teuersten, wer es genau wissen will, dazu ein Kleid von Dolce & Gabbana, High Heels von Christian Louboutin. Alles tiefschwarz und ultrachic muss man zugeben - aber natürlich genauso fehl am Platze wie so oft in den vergangenen vier Jahren. Mal wieder kein einziges amerikanisches Label hatte sie für diesen historischen Tag ausgewählt.

Aber vielleicht wollte sie sich auch nur ein letztes Mal maximal von der Nation und dem anderen Lager distanzieren. Denn dass die Bidens und Harris zur Vereidigung ausschließlich amerikanische Designer tragen würden, war schon vorher absehbar gewesen. Wie man das eben so macht am ersten Arbeitstag, um modisch gleich mal ein patriotisches Signal in die Runde zu senden.

Welche Label das neue First und Second Couple der Vereinigten Staaten allerdings für ihren Einstand wählten, stellte sich dann doch als nicht ganz erwartbar heraus. Zwar trug Joe Biden einen navyblauen Anzug von Ralph Lauren. Seine Frau Jill jedoch griff weder zum gleichen Designer, noch zu den anderen üblichen Verdächtigen wie Michael Kors oder Carolina Herrera, sondern hatte das noch junge New Yorker Label Markarian mit einem Entwurf beauftragt.

Das Kleid mit passendem Glitzertweedmantel in hellem Ozeanblau solle "Vertrauen, Zuversicht und Stabilität" ausdrücken, hieß es von der Designerin. Farblich schon klar, aber wenn man ganz ehrlich ist, vermittelte das unaufgeregte Ensemble vor allem eines: Jill Biden hat offensichtlich keine Ambitionen, als First Fashion Queen aufzutreten, hatte sie nie, sie bevorzugt schlicht, sie selbst zu sein. Aber die 69-Jährige trifft ihre Entscheidungen mit Bedacht: Die Wahl eines kleinen, unabhängigen Labels wird als Zeichen dafür gewertet, dass die neue First Lady sich in Zukunft für eben diese Designer einsetzen könnte, zumal wenn sie wie Markarian NYC noch in Amerika produzieren.

Eine ähnlich klare Agenda verfolgt offenbar auch Kamala Harris, die zwar bekanntermaßen die Nummer zwei ist, deren Garderobe allerdings noch aufmerksamer beobachtet wird. Die erste Vizepräsidentin mit schwarzen und asiatischen Wurzeln erschien in einem lilafarbenen Kostüm (für Freunde der Farbenlehre: Feminismus!) des Designers Christopher John Rogers, nachdem sie bereits am Vorabend einen eindrucksvollen Camel-Mantel mit Rückendetail von Pyer Moss getragen hatte - beides schwarze amerikanische Designer.

Deren Namen sind in der Modewelt schon relativ bekannt, auch Michelle Obama ist bereits Kundin. Aber solche Auftritte, die von Millionen Zuschauern weltweit gesehen werden, katapultieren den Markenwert natürlich noch einmal in eine ganz andere Stratosphäre. Die Suchanfragen auf Shoppingseiten und Google gehen danach verlässlich durch die Decke. Eine bessere Verkaufsförderung gibt es nicht, gerade in diesen auch für die Modeindustrie so schwierigen Zeiten. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass der Second Gentleman Doug Emhoff, Überraschung, ebenfalls Ralph Lauren trug.

Den echten Glamour überließen die Hauptpersonen ohnehin den Stargästen: Lady Gaga, die mit einer maßgeschneiderten blau-roten Robe von Schiaparelli mit goldener XXL-Friedenstaube auf der Brust die Nationalhymne sang, sowie Jennifer Lopez, die in einem weißen Tweedmantel von, nun ja, Chanel auftrat. Marken-Patriotismus hin oder her, immerhin farblich ergab das kombiniert ein hübsches Weiß-Rot-Blau. Zufall? An einem solchen Tag? In Washington? Eher nicht.

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