Süddeutsche Zeitung

Italien:Melonis Kampf gegen Rave-Partys

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Bis zu sechs Jahre Haft und 10 000 Euro Buße: Italiens neue Rechtsregierung will Organisatoren und Besucher nicht angemeldeter Techno-Events hart bestrafen. Womöglich könnte das neue Gesetz auch auf unliebsame politische Proteste angewendet werden.

Von Oliver Meiler, Rom

Die Italiener erfahren gerade, dass ihr größtes Problem nicht die höheren Stromrechnungen sind, nicht die Folgen von Krieg und Pandemie, nicht die vielen Sorgen des Alltags. Nein, schließt man aus den ersten Maßnahmen der neuen, sehr rechten Regierung des Landes, sind die Probleme ganz andere und erstaunliche, besonders: Rave-Partys - vom englischen Verb "to rave", also rasen, toben, schwärmen. Gemeint sind vor allem heimlich organisierte Musik- und Tanzveranstaltungen in Wäldern und leeren Lagerhallen mit vielen jungen, selten nüchternen, tagelang durchfeiernden Menschen. Meist läuft da Techno, aufgelegt von DJs.

Am vergangenen Wochenende, zu Halloween, trafen sich ein paar Tausend zu einer solchen Rave-Party bei der Autobahnausfahrt Modena Süd, in einer verlassenen Halle. Sie kamen aus halb Europa. Der neue Innenminister in Rom, Matteo Piantedosi, trug den lokalen Behörden auf, das Event schnell zu beenden. Und wie das ausging, davon muss gleich noch die Rede sein. Der Regierung von Giorgia Meloni stand der Sinn aber nach mehr. In ihrem ersten Ministerrat legte sie ein Dekret auf, auf dessen Basis Organisatoren und Teilnehmer von Rave-Partys ohne Genehmigung in Zukunft hart bestraft werden können - mit bis zu sechs Jahren Haft und 10 000 Euro Buße.

Und der Aufmarsch der Faschisten in Predappio? Eine Clownerei!

Nun kann man natürlich sagen, die extreme Rechte gebe da zum Auftakt einfach die extreme Rechte und danke ihrer Wählerschaft mit ein paar Botschaften, die diese auf Anhieb versteht: Gesetz und Ordnung, null Toleranz, radikale Strafen. Am selben Wochenende defilierten übrigens in Predappio, dem Geburtsort von Benito Mussolini nicht weit von Modena, einige Tausend Nostalgiker des Faschismus mit gestreckten rechten Armen. Sie begingen den 100. Jahrestag von Mussolinis Marsch auf Rom und sangen dazu faschistische Lieder. Völlig unbehelligt. Eine "Clownerei" nennt es der Innenminister, das habe es immer schon gegeben. Zwei Ellen?

Die neue Norm gegen Rave-Partys ohne Genehmigung ist dermaßen vage gehalten, dass die Rechte sie leicht gegen andere unliebsame Kundgebungen anwenden könnte: etwa gegen antifaschistische Studentenproteste, gegen die Besetzungen von Gymnasien und Fakultäten, wie sie gerade in Rom im Gange sind. Die Regierung beschwichtigt, die Meinungsfreiheit sei nicht tangiert, heißt es. Doch viele Juristen kritisieren das Gesetzesdekret, manche halten es für verfassungswidrig. Die Linke hat in dieser Debatte ihre Stimme wiedergefunden, die sie nach der Wahlniederlage verloren hatte. Für "gefährlich" und "freiheitsfeindlich" halten etwa die Sozialdemokraten das Dekret. Für die Cinque Stelle ist Italien schon nahe am "Polizeistaat".

Dabei würde es gar keine neue Regelung brauchen in der Materie. Im italienischen Strafgesetzbuch gibt es schon einen Paragrafen, der solche Veranstaltungen verbietet. Darauf haben sich die Behörden nun auch berufen, als sie die Rave-Party bei Modena auflösten, im Frieden. Die Raver haben die baufällige Halle geputzt, bevor sie gingen. Nun ermittelt die örtliche Staatsanwaltschaft gegen die Organisatoren, alles wie gehabt. Aber klar, die Rechte mag es gerne laut, und sie sitzt jetzt am Mischpult der Macht.

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