Süddeutsche Zeitung

Florenz:Geschasste US-Rektorin besucht Michelangelos David

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Nachdem Hope Carasquilla ihren Schülern die nackte Skulptur gezeigt hatte, zwangen Eltern sie zum Rücktritt. Nun reist sie auf Einladung nach Florenz und schaut sich an, was so manch einer daheim in Florida "pornographisch" findet.

Von Nadja Lissok

Eine Schuldirektorin aus Florida hat sich in Florenz Michelangelos berühmten David angeschaut. Das an sich ist kein außergewöhnliches Ereignis, doch die Renaissance-Statue des nackten Mannes ist gewissermaßen schuld, dass Hope Carrasquilla ihren Job los ist.

Die Lehrerin hatte ein Bild des David im Kunstunterricht einer sechsten Klasse gezeigt und wurde daraufhin von der Schulbehörde zum Rücktritt gedrängt. Drei Eltern an der konservativ-religiösen Schule hatten sich beschwert, dass der David als Unterrichtsmaterial anstößig und nicht altersgemäß sei. Eine Person bezeichnete das Bild als "pornographisch". Laut Schulbehörde hätte Carrasquilla die Eltern vor dem Verwenden des Bildes informieren müssen.

Als der Vorgang vor einem Monat weltweit für Aufregung sorgte, lud der Bürgermeister von Florenz die Lehrerin und ihre Schülerinnen und Schüler ein, sich einmal das Original in der Galleria dell'Accademia in Florenz anzusehen. "Kunst mit Pornographie zu verwechseln ist einfach lächerlich", schrieb Dario Nardella außerdem auf Twitter.

Dieser Einladung ist zumindest die Lehrerin nun gefolgt. Am Freitag besichtigte sie gemeinsam mit der deutschen Direktorin Cecilie Hollberg das Museum, in dem das Original des ikonischen Werkes steht. "Es ist mir eine riesige Freude, Frau Carrasquilla als Gast zu begrüßen und ihr David persönlich vorzustellen", sagte Hollberg laut Mitteilung des Museums.

Der Gast aus Florida lobte die tolle Galerie, die aussähe wie eine Kirche und die "Reinheit der Figur" David. "An dem menschlichen Körper ist nichts falsch", sagt die Amerikanerin. Sie fände Michelangelos Werk immer noch wunderschön. Anschließend wurde sie von Bürgermeister Nardella empfangen. "Kunst ist Zivilisation und wer sie lehrt, verdient Respekt", schrieb dieser zum Besuch auf Twitter.

Der Vorfall an der Schule in Florida passt in eine Reihe von Entscheidungen des Gouverneurs Ron DeSantis, der Florida zu einem der restriktivsten und konservativsten Bundesstaaten Amerikas umbaut. Er will Kinder vor "Woke-Indoktrinierung" schützen und mit Blick auf seine konservativ-christlichen Wähler deren "Werte verteidigen".

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