Süddeutsche Zeitung

Fast Food:Döner wird schöner

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Einst galt er als "Abfütterung der Deklassierten", als Mahlzeit für jeden noch so kleinen Geldbeutel. Heute ist der Döner sogar beliebter als die Currywurst - aber er verändert sich dadurch auch.

Von Marcel Laskus

Aus der gefühlten Wahrheit ist nun also auch eine messbare geworden: Müssten die Deutschen sich entscheiden zwischen Döner und Currywurst, dann würden 45 Prozent zum Döner greifen und nur 37 Prozent zur Wurst, so hat es das Umfrageinstitut Yougov erhoben. Einen schönen Lerneffekt zeigt das für die deutsche Kulinarik: Immerhin bildete man sich hierzulande recht lange ein, Leberkäs und Bratwurst müssten doch ausreichen, um so fröhlich und lang zu leben wie der 108 Jahre alt gewordene Jopi Heesters. Er war bekennender Currywurst-Liebhaber.

Es ist also eine schöne Nachricht, dass der unter den Fast-Food-Gerichten als recht gesund geltende Döner auch in den Bäuchen von Helmut, Sabine und Sören seinen Platz gefunden hat. Kaschiert von den hohen Beliebtheitswerten gibt es allerdings auch eine schlechte Nachricht für den Döner: Denn allmählich verliert er seine Identität.

In Frankfurt am Main hat der Dönerpreis zuletzt die ewigen Sphären der Einstelligkeit verlassen, er kostet jetzt zehn Euro. In Großstädten kleben linke Gruppen Aufkleber an Straßenlaternen, auf denen sie nur scheinbar ironisch fordern: "Dönerpreisbremse jetzt!" Fleisch und Brot werden nun mal noch schneller teurer als andere Lebensmittel.

Interkulturelle Aneignung im besten Sinne

Mit dem Image, das der Döner früher einmal hatte, hat das nur noch wenig zu tun. Über das Aufkommen des Döners in den 70er-Jahren schrieb der deutsch-türkische Journalist Ömer Erzeren einst: "Der Markt verlangte nach einer Ware für die Abfütterung der Deklassierten, Ausgegrenzten, der Sozialhilfeempfänger." Der Döner wurde zu dieser Ware. Und es stimmt ja: Lange Zeit war er ein fast schon unverschämt günstiges Fast Food. Man muss nicht steinalt sein, um sich an Zeiten erinnern zu können, in denen man Fleisch, Knoblauchsoße und frischen Salat im Brot für 1,50 Euro bekam. Die Erschwinglichkeit des Döners führte mitunter zum spätpubertären Exzess: Auf Youtube hat die "10-Döner-auf-einmal-essen-möglich?"-Challenge 150 000 Aufrufe.

Es ist dem Döner zu wünschen, dass sich das alles irgendwann wieder einrenkt. Denn seine Geschichte ist die Geschichte einer interkulturellen Aneignung im besten Sinne. In dem lesenswerten Buch "Döner - eine deutsch-türkische Kulturgeschichte" beschreibt Eberhard Seidel, wie der Döner zuerst in Berlin entstanden sein soll. Demnach kannten die ersten Türken, die in den 60er- und 70er-Jahren als Gastarbeiter nach Berlin kamen, Kebap nur als Tellergericht. Das wollten sie auch den Deutschen anbieten, doch die zeigten kein Interesse. Bis die Türken bemerkten, dass die Berliner - "wie sonst kaum ein anderes Völkchen" - ihr Essen lieber auf der Straße essen (siehe Currywurst). Sie viertelten die runden Fladenbrote und benutzten diese Viertel als Taschen. Die Berliner griffen zu.

Heute muss man gar nicht mehr zugreifen. Seit 2018 gibt es den Döner im Berliner Adlon-Hotel auch auf Tellern. Serviert mit Filetstreifen vom Kalbsrücken, Salat und Kraut, Tomaten, roten Zwiebeln und einer speziellen Trüffelcrème, aktuell kostet er rund 30 Euro. Zu den Gästen des Adlon gehörte im Jahr 2019 auch ein Mann südafrikanischer Herkunft, der einmal verkündete: "Mein Lieblingsessen in Deutschland ist der Döner Kebap!" Bei diesem Mann handelte es sich um Elon Musk, den reichsten Mann der Welt.

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