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EU stellt neue Führerschein-Regeln vor:Das Handy wird zum neuen Führerschein

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Künftig liegt die Fahrerlaubnis in einer App, aber vor allem sollen Fahranfänger lernen, mehr Rücksicht auf Radfahrer zu nehmen. Das Ziel der neuen EU-weiten Regeln: weniger Tote auf Europas Straßen.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Führerschein vergessen? Das soll bald nicht mehr vorkommen, denn wer ist heutzutage noch ohne Handy unterwegs? Bald soll es einen in allen EU-Staaten gültigen digitalen Führerschein geben, vorzuzeigen auf einem Smartphone oder einem anderen digitalen Gerät - vor allem für junge Leute sei das "eine Frage des persönlichen Komforts", sagte die für Verkehrsangelegenheiten zuständige EU-Kommissarin Adina Vălean aus Rumänien am Mittwoch in Brüssel. Noch eine gute Nachricht für die jüngere Generation: Das in Deutschland eingeführte "Begleitete Fahren mit 17" soll künftig in der ganzen EU möglich werden, und zwar auch bei Lkw-Führerscheinen. Was klingt wie eine Werbekampagne für junges Fahren, gehört zu einem Gesetz mit todernstem Hintergrund.

Die Novelle der europäischen "Führerscheinrichtlinie" gehört zu einer Strategie namens "Road Safety", Verkehrssicherheit. Die EU hat sich darin zum Ziel gesetzt, es solle bis zum Jahr 2050 keine Verkehrstoten mehr in Europa geben. Davon ist man noch weit entfernt.

Auf den Straßen in Rumänien und in Bulgarien ist es am gefährlichsten

Im vergangenen Jahr starben 20 600 Menschen auf Europas Straßen, drei Prozent mehr als 2021, aber zumindest zehn Prozent weniger als vor der Pandemie. Am gefährlichsten lebt man auf den Straßen in Rumänien und in Bulgarien, wo 86 respektive 78 Tote pro einer Million Einwohner gezählt wurden. Deutschland liegt mit 34 Toten pro einer Million im Mittelfeld. Menschen unter 30 Jahren machen zwar nur acht Prozent aller Autofahrerinnen und Autofahrer aus, sind aber an 40 Prozent aller tödlichen Unfälle beteiligt. Deshalb sollen sie nun gezielter auf den Straßenverkehr vorbereitet werden.

Fahranfänger werden, geht es nach dem Willen der Kommission, überall in Europa eine zweijährige Probezeit auferlegt bekommen und sollen die Fahrerlaubnis verlieren, wenn sie auch nur geringste Mengen von Alkohol im Blut haben. Aber schon Ausbildung und Prüfung sollen sich ändern. "Gefahrensituationen", sagte Kommissarin Vălean, müssten stärker im Fokus stehen, was bedeutet: Die Fahr-Azubis sollen lernen, auf Fußgänger, Radfahrer und Rollerfahrer mehr Rücksicht zu nehmen. Man nennt sie die "vulnerablen Gruppen", sie machen in den europäischen Städten mittlerweile 70 Prozent aller Verkehrstoten aus. Vor allem Radfahrer leben gefährlich, die Zahl der Toten ist in den letzten Jahren kaum gesunken.

Im Ausland ausgesprochene Fahrverbote gelten dann auch in der Heimat des Autofahrers

Die Kommission will im übrigen nicht nur sicheres, sondern auch umweltfreundliches Fahren - zum Beispiel rechtzeitiges Schalten in den nächsten Gang - besonders schulen lassen. Die Kommission spricht auch Routiniers der Straße an. Sie werden "ermutigt", ihre Kenntnisse aufzufrischen.

Mehr Rücksicht im europäischen Straßenverkehr will die EU auch erzwingen, indem sie die Verkehrsregeln über Landesgrenzen hinweg stärker durchsetzt. Manche Autofahrer hätten offensichtlich den Eindruck, im Ausland könnten sie sich alles erlauben, sagte Kommissarin Vălean. 40 Prozent aller grenzüberschreitenden Delikte in der EU werden bislang nicht bestraft, entweder weil die Täter nicht ermittelt oder die Zahlung nicht vollstreckt werden konnten. Die Strafverfolgungsbehörden sollen deshalb Zugang zu nationalen Führerscheinregistern erhalten.

Im Ausland ausgesprochene Fahrverbote müssen dem Gesetzentwurf zufolge künftig auch in der Heimat des Fahrers gelten, wenn es um besonders schwere Verstöße geht. Die Kommissarin nannte beispielsweise die Schwelle von 50 Stundenkilometern über dem Tempolimit, darüber hätten die Behörden im Heimatland des Fahrers keine Wahl mehr: Sie müssen den Führerschein einziehen.

Die Vorschläge der Kommission gehen nun an das Europaparlament und die Mitgliedsländer zur Beratung. Mit Spannung erwartet wird vor allem die Debatte um den digitalen Führerschein, die man in Deutschland schon mehrmals ohne Erfolg geführt hat. Im Jahr 2021 wurde eine von der damaligen schwarz-roten Bundesregierung beauftragte App nach nur einer Woche wegen Sicherheitslücken wieder zurückgezogen.

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