Süddeutsche Zeitung

Rauschgiftkonsum:Drogengeschäft im Internet wächst

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Per Klick zum Kick: Die Corona-Pandemie förderte nicht nur die Digitalisierung in der Wirtschaft - sondern auch die der Kriminalität.

Von Angelika Slavik, Berlin

Wenn in Deutschland über Drogenpolitik diskutiert wird, geht es meistens um Cannabis und die Frage: Welche Folgen hätte die Legalisierung des Kiffens? Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung sieht das skeptisch - ihr Ausspruch, Cannabis sei eben "kein Brokkoli", hat Daniela Ludwig (CSU) einst einen beachtlichen Shitstorm, aber auch eine Menge öffentlicher Aufmerksamkeit eingebracht. An diesem Dienstag ging es auch um härtere Drogen, Ludwig stellte das "Rauschgift-Lagebild 2020" vor, gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes Holger Münch. Die Lage sei ernst, sagte Ludwig, da gebe es nichts zu beschönigen.

In der Statistik heißt das, dass sowohl die sichergestellten Rauschgiftmengen als auch die Zahl der Straftaten in Zusammenhang mit Drogenkonsum und Drogenhandel 2020 gestiegen sind. Insgesamt wurden 365 753 Fälle von Rauschgiftkriminalität erfasst. Das sind 1,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor - und wohl nur ein Bruchteil des tatsächlichen Geschehens, die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Besonders stark war der Zuwachs bei Straftaten in Zusammenhang mit Kokain, die Anzahl stieg um 6,9 Prozent, und mit Methamphetamin, besser bekannt als Crystal: Hier wurden 18,9 Prozent mehr Delikte registriert. Die Veränderung am Crystal-Markt könnte daran liegen, dass sich die Herstellung von Tschechien zunehmend in die Niederlande verlagert und in den Laboren dort größere Mengen produziert werden.

Die allgemeine Entwicklung aber passt zu jener der vergangen Jahre, in denen stets ein Zuwachs der Rauschgiftdelikte registriert wurde. Bislang scheint es nicht zu gelingen, die Drogenkriminalität substanziell zurückzudrängen. BKA-Chef Münch warb deshalb nachdrücklich für eine Aufstockung der personellen und finanziellen Ressourcen. Ein Faktor allerdings hat den Rauschgiftmarkt im vergangenen Jahr beeinflusst: die Corona-Pandemie. Weil Nachtclubs und Diskotheken nahezu durchgehend geschlossen waren, sanken Handel und Konsum von Ecstasy - die Pillen gelten als klassische Partydroge. Zudem stieg die Nachfrage nach Substitutionsbehandlungen, also einer Drogenersatztherapie. Viele Suchtkranke hätten während der Pandemie festgestellt, dass der Zugang zu Drogen erschwert sei, sagte Ludwig. "Für den einen oder anderen war das vielleicht der äußere Druck, den es gebraucht hat, um sich zu überlegen: Vielleicht gehe ich weg von meinen harten Drogen."

Insgesamt sei die Verfügbarkeit von Rauschgiften durch das Coronavirus aber kaum beeinträchtigt worden, sagte BKA-Chef Münch. Denn die Pandemie habe ähnlich wie in der Wirtschaft auch in der Kriminalität zu einem Digitalisierungsschub geführt: Immer mehr Drogenhandel finde über das Internet statt. Die größte Rolle spielten dabei Geschäfte über das Darknet, also einen kaum zu kontrollierenden Bereich des Internets. Aber auch eigene Gruppen in verschlüsselten Messengerdiensten würden häufig genutzt. Dadurch würden oft auch Zielgruppen angesprochen, die vorher keine Berührungspunkte mit Drogen hatten, so Münch. Der Postversand habe ja auch im Lockdown funktioniert, der hohe Anonymisierungsgrad wirke reizvoll.

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