Süddeutsche Zeitung

Organisierte Kriminalität:Clan-Villa in Berlin geräumt

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Seit Jahren versucht die Justiz, Immobilien einer kriminellen Großfamilie einzuziehen, die aus Straftaten finanziert wurden. 130 Polizisten waren im Einsatz, als eine Gründerzeitvilla nun dem Staat übergeben wurde - in einem desolaten Zustand.

Von Verena Mayer, Berlin

Dass in Berlin der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht, ist nicht ungewöhnlich. Zwangsräumungen von Wohnungen gehören zur Hauptstadt wie Mieterhöhungen oder Eigenbedarfskündigungen. Der Einsatz, der am Mittwoch stattfand, war jedoch alles andere als alltäglich. Das liegt zum einen an der Immobilie. Geräumt wurde eine großzügige Gründerzeitvilla mit acht Zimmern und prächtigem Garten in Berlin-Buckow. Und es liegt an den früheren Villenbesitzern, der Großfamilie R., die mit schwerer organisierter Kriminalität in Verbindung gebracht wird. Familienmitglieder haben sowohl eine Hundert Kilogramm schwere Goldmünze aus dem Bode-Museum gestohlen als auch die Juwelen von August dem Starken aus dem Grünen Gewölbe in Dresden.

Dass die R.s ausziehen mussten, hat ursächlich mit ihren illegalen Einkünften zu tun. So versucht die Justiz seit Jahren, die sogenannte Clan-Kriminalität auch dadurch zu bekämpfen, dass sie deren Immobilien einzieht. Alles begann 2018, als Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft in einem Großeinsatz insgesamt 77 Häuser, Wohnungen und Grundstücken der Familie R. konfiszierten. Diese seien mit Geld finanziert worden, das aus Raub, Diebstahl und Betrug stammte, so die Begründung damals, oder sollen dazu gedient haben, Geld zu waschen.

Welcher 18-Jähriger kann sich schon acht Immobilien leisten?

Seither wird vor Gericht erbittert um jede einzelne Immobilie gestritten. Immer wieder gehen die Verfahren zugunsten der Familie R. aus. So lehnte das Berliner Landgericht im Dezember die Einziehung von acht Immobilien ab, die ein Familienmitglied im zarten Alter von 18 Jahren erworben hatte. Der Staatsanwaltschaft zufolge war der junge Mann kein fleißiger Bausparer, sondern setzte die Beute aus Straftaten um. Das aber sei, so das Urteil des Landgerichts, nicht zweifelsfrei bewiesen. Es könne auch sein, dass es legale Geldquellen gab, im Verfahren war etwa von einer Millionensumme die Rede, die der junge Mann von Verwandten in Libanon erhalten haben könnte.

Bei der Familienvilla in Buckow war der Staat erfolgreicher. Zwar wurde auch um dieses Anwesen vor Gericht gerungen, mehrere Urteile kamen aber zu dem Schluss, dass die Einziehung rechtens war. Was nicht heißt, dass die Familie R. vorhatte auszuziehen. Die denkmalgeschützte Villa fiel zwar in den Besitz des Landes Berlin, die Bewohner lebten aber teilweise mit Mietverträgen darin. Das führte zu der kuriosen Situation, dass der Staat, der kriminelle Clans eigentlich bekämpft, nun deren Vermieter war. Beschwerden der Mieter über die Heizung inklusive.

130 Polizisten sicherten den Einsatz der Gerichtsvollzieherin ab

Weitere Jahre gingen ins Land, bis ein Gericht rechtskräftig feststellte, dass die Villa geräumt werden muss. Am Mittwoch rückten nun 130 Polizisten an, um den Einsatz der Gerichtsvollzieherin abzusichern. Die Räumung verlief friedlich, die Mieter waren bereits weg. Allerdings wurde das Haus nicht gerade besenrein übergeben. Ein Sprecher des Bezirksamts Neukölln, das für die Villa zuständig ist, sagte Berliner Medien, die Villa sei in einem "desolaten" Zustand. Die Parkettböden seien herausgerissen, Fensterscheiben zerbrochen, überall hingen Kabel. Kurz: Die Villa sei "absolut unbewohnbar." Was damit in Zukunft geschehen soll, ist noch unklar, es gibt diverse Nutzungsideen. Bis dahin wird der Bezirk wohl erst einmal dasselbe tun müssen, wie viele andere Hauseigentümer: renovieren.

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