Süddeutsche Zeitung

Technische Fragen sind noch offen:Die Überschwemmung, die von unten kam

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Noch ist ungeklärt, warum der Loisach-Isar-Kanal in Gelting undicht geworden ist und das Wasser mit enormer Wucht unter der Gärtnerei Holzer durchdrückte.

Von Felicitas Amler, Wolfratshausen

Es hat eigentlich bereits am Mittwochabend angefangen. Da habe seine Mutter mit Blick auf die Wiesen hinter seinen Gewächshäusern gesagt, so berichtet der Geltinger Gärtner Josef Holzer senior: "Da vorn schwimmen die Enten." Er habe sich noch nicht viel dabei gedacht. Tauwasser womöglich, war seine Vermutung. Als er am Donnerstagmorgen von der Straße am Kanal aus auf seine Gärtnerei hinabschaute, war die Katastrophe unverkennbar: Alles stand unter Wasser, mindestens 50 bis 60 Zentimeter hoch, so Holzers Schätzung.

Die Gärtnerei liegt genau zwischen der Loisach und dem Kanal, der Loisach und Isar zwischen Beuerberg und Wolfratshausen verbindet. Dieser von 1921 bis 1924 errichtete Kanal, der zum System des in denselben Jahren geschaffenen Walchenseekraftwerks gehört, ist von dessen Betreiber-Unternehmen Uniper gerade erst aufwendig, für acht Millionen Euro, saniert worden. Allerdings nur bis knapp vor der Holzerschen Gärtnerei - bis zur sogenannten "Loisachannäherung".

Mit der Wiederaufstauung des Kanals nach der Sanierung hatte Uniper in den vergangenen Tagen begonnen. Es liegt also mindestens ein zeitlicher Zusammenhang zwischen "Wasser Marsch!" und Überschwemmung vor. Mehr allerdings lasse sich noch nicht sagen, so Uniper-Sprecher Theodorus Reumschüssel. "Aktuell spekulieren wir nicht", erklärte er auch am Freitagnachmittag noch. Die Ursachenforschung laufe.

An mehreren Krisengesprächen waren neben dem Betreiber-Unternehmen auch das Wasserwirtschaftsamt, die Feuerwehr und die Bürgermeister von Geretsried und Wolfratshausen beteiligt.

Uniper habe alle nötigen Maßnahmen ergriffen, so Reumschüssel: Der Wasserzulauf war am Donnerstag um 15 Uhr "auf Null gestellt" worden, so dass der Kanal nach einigen Stunden nur noch wenig Wasser führte; Mitarbeitende kontrollierten in der Nacht auf Freitag mit starken Scheinwerfern ausgestattet die Lage und sollen dies laut Ankündigung auch übers Wochenende noch tun. Schadhafte Stellen würden abgesichert, so Reumschüssel. "Es wird alles akribisch beobachtet und analysiert." Die Frage nach der Verantwortung wollte der Uniper-Sprecher am Freitag nicht beantworten; dafür sei noch viel zu wenig geklärt.

Nun ist die Gärtnerei aber nicht nur über-, sondern auch unterschwemmt worden. Wassermassen haben sich, offenbar mit massiver Wucht, unter der Gärtnerei durchgedrückt. Dann haben sie den Hang zur Loisach hin so heftig unterspült, dass nicht nur enorme Einbrüche im Erdreich zu erkennen sind. Es wurde auch eine ganze Baumgruppe vom Hang in die Loisach hineingeschoben. Der Seniorchef und sein Sohn Josef Holzer junior sind besorgt, was das für die nächste Zeit bedeuten mag. Was hat das Wasser unterirdisch angerichtet? Mit welchen Folgen ist womöglich noch zu rechnen? Augenblicklich kann das offenbar niemand beantworten.

Korbinian Zanker, Leiter des zuständigen Wasserwirtschaftsamts Weilheim, erklärte, seine Behörde trage nicht die Verantwortung für den Kanal, sie begleite die Situation lediglich fachlich. Ansonsten sei sein Amt für die Loisach zuständig. Welche Sanierungsmaßnahmen dort nötig sind, werde am Montag besprochen. Eine Abteilungsleiterin seines Hauses sagte, besonders die in den Fluss geschobenen Bäume müssten begutachtet werden. Man müsse verhindern, dass sie bis ins Kastenmühlwehr in Wolfratshausen getrieben würden.

Die Holzers erinnern daran, dass ihre Gärtnerei, die seit 1967 zwischen Kanal und Loisach liegt, schon einmal überschwemmt wurde: beim Pfingsthochwasser 1999. Aber erstens sei es eben Pfingsten gewesen - ohne Gefahr von Tauwasser, Schnee und Frost. Und zweitens war damals die Loisach über die Ufer getreten und die Gärtnerei war nicht gleichzeitig mit Vehemenz unterspült worden.

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