Süddeutsche Zeitung

Im Landkreis:Alter Hof soll einem Feriendomizil weichen

Lesezeit: 3 min

Auf dem Wackersberger Areal des lange leer stehenden Strasserhofs könnten Gäste-Wohnungen entstehen. Damit ginge eine landschaftsprägende Architektur verloren, die Gemeinde aber begrüßt das Vorhaben

Von Benjamin Engel, Wackersberg

Wo einst Gäste ein- und ausgegangen sind, gegessen und getrunken haben, ist es ruhig geworden. Um die zehn Jahre schon steht der Strasserhof auf der nach Westen abfallenden Anhöhe oberhalb von Bad Tölz und dem Isarflussbett leer. Im einst beliebten Gasthaus und Hotelbetrieb in Wackersberg sind auch ohne Corona schon lange keine Gespräche, kein Gläserklirren und kein Besteckklappern mehr vernehmbar. Pläne, in dem historischen Anwesen auf dem Gelände des Tölzer Golfclubs einen Hotelbetrieb zu entwickeln, haben sich mehrmals zerschlagen.

Diese jüngste Geschichte ist wohl der Grund, warum Wackersbergs Bürgermeister Jan Göhzold (Freie Wähler) von der neuen Idee des Eigentümers Johannes Tien für ein Nutzungsmodell mit Ferienwohnungen so angetan ist. "Ich würde das begrüßen", sagt er auf Nachfrage. "Das ist ein touristischer Platz. Das Gebäude ist so verfallen. Es muss etwas gemacht werden, sonst stürzt es ein." Göhzold hält einen Neubau für notwendig.

Nach einem ersten groben Entwurf ist beabsichtigt, das lang gezogene, architektonisch landwirtschaftlich geprägte Bestandsgebäude abzureißen. Das künftige Haus soll tiefer angelegt werden. In den zwei zusätzlichen Untergeschossen sind die Tiefgarage sowie ein Wellness- und Spa-Bereich geplant.

Auf den drei Geschossen darüber könnten 60 Ferienwohnungen entstehen. Vorgesehen ist, diese zu veräußern. Die Käufer sollen die Wohnungen acht Wochen pro Jahr selbst nutzen dürfen. Während der übrigen Zeit sollen Gäste die Ferienwohnungen mieten können. Ein Betreiber soll dieses Modell organisieren.

Der Wellness- und Spa-Bereich könnte öffentlich genutzt werden

Das soll der nächste Anlauf sein, um die bis 2011 als Beherbergungsbetrieb genutzte Immobilie touristisch zu beleben. Eigentümer Johannes Tien ist dafür in Gesprächen mit einem Interessenten, der das neue Konzept mit Ferienwohnungen am Strasserhof für realisierbar hält. Damit es sich umsetzen lässt, muss die Gemeinde Wackersberg allerdings den aktuell gültigen Bebauungsplan ändern. Dieser setzt ein Sondergebiet Hotel fest. Das wollte der jetzige Eigentümer Tien ursprünglich mit 30 Zimmern und Frühstücksbewirtung realisieren, nachdem er den Strasserhof zu Jahresbeginn 2018 erworben hatte. Inzwischen treibt er Pläne für ein Naturhotel auf der nahen Wackersberger Höhe im Tölzer Stadtgebiet voran. In Wackersberg will der Gemeinderat nun die Voraussetzungen schaffen, um das Ferienwohnungsmodell am Strasserhof realisieren zu können. Dafür hat das Gremium gebilligt, den Bebauungsplan zu ändern.

Der Strasserhof könnte künftig mehr als eine abgeschlossene Enklave für Ferienwohnungsbesitzer und -gäste sein. Vorstellbar wäre laut Tien, dass auch die Öffentlichkeit den Wellness- und Spa-Bereich nutzen kann. Noch seien die Verhandlungen mit dem potenziellen Käufer des Strasserhofs aber im Anfangsstadium, sagt der jetzige Eigentümer. "Es ist ein laufendes Verfahren, im Moment gibt es wenig zu sagen." Überzeugt ist Tien allerdings davon, dass der so lange leer stehende Platz dringend belebt werden müsse.

Bewohnt war der Aussichtsplatz in Panoramalage schon vor vielen hundert Jahren. Im Eigentum des Klosters Tegernsee wird das Gut "An der Strazz" laut der Wackersberger Chronik im 14. Jahrhundert erwähnt. Bis etwa 1470 führte beim Strasser der alte Salzsaumweg aus Richtung Tölz gegen Westen. Eng verbunden ist das Haus mit dem westlich direkt dahinter stehenden Wasensteiner-Hof. Lange Zeit befanden sich beide Gebäude im Besitz derselben Familie. Wegen der im 18. Jahrhundert in den Wasensteiner-Hof integrierten Kapelle hat sich im Volksmund die Bezeichnung "Kapellenhaus" weithin durchgesetzt. Dieses Haus steht unter Denkmalschutz, der Strasserhof selbst nicht. Dort eröffnete 1955 eine Gastwirtschaft, wie es in der Wackersberger Chronik heißt.

Mit dem Abriss würde der Typus eines die Region prägenden, lang gezogenen, ursprünglich landwirtschaftlich genutzten Hauses aus dem Landschaftsbild verschwinden. Laut Wackersbergs Bauamtsleiter Georg Schöffmann handelt es sich bei dem Bauernhaus um einen sogenannten Itakerhof - eine in Bayern häufig anzutreffende Architekturform. Diese Bezeichnung stamme daher, dass italienische Gast-Maurer, die während des Sommers in Oberbayern arbeiteten, diese Art von Höfen zwischen der Mitte und dem Ende des 19. Jahrhunderts errichtet hätten. Zum genauen Baudatum könne er jedoch keine Angaben machen, sagt Schöffmann. Bei seinen aufgegebenen Hotel-Garni-Plänen hatte Eigentümer Tien erst die Idee gehabt, das Gebäude zu sanieren. Seiner damaligen Darstellung nach habe sich aber herausgestellt, dass dies nicht finanzierbar gewesen wäre. Im Bestand hätte er demnach auch die Lärm- und Brandschutzvorgaben praktisch nicht umsetzen können.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5258383
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 09.04.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.