Süddeutsche Zeitung

Neubau in Penzberg:Diese Bahn-Brücke hat 120 Jahre gehalten

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Das Bauwerk über den Säubach wird erstmals seit Eröffnung der Strecke erneuert. Pendler und Touristen zwischen Tutzing und Kochel müssen Ersatzbusse nehmen.

Von Klaus Schieder, Penzberg

Für die Baufahrzeuge hat die Deutsche Bahn eigens eine Schotterstraße aufschütten lassen, die an einen Bahndamm erinnert. Von der Fischhaberstraße führt sie geradewegs zwischen dem Sportplatz des ESV Penzberg und einer Wohnsiedlung hindurch, dann in zwei rechten Kurven hinunter zur Bahnbrücke über den Säubach. Ein Transporter mit einem 100 Tonnen schweren Bohrgerät bewegt sich darauf im Schneckentempo vorwärts. Die steinige Rampe habe man eben wegen dieses Gewichts angelegt, sagt Andreas Brill, Polier der Firma Beck-Bau aus Eschwege.

In knapp einer Woche sollen die Bohrarbeiten für die neue Brücke über den Säubach beendet sein. Die Erneuerung dieses kleinen Übergangs und der Brücke in Ried sind der Grund, weshalb viele Nutzer der Bahnlinie zwischen Tutzing und Kochel bis zum Ende der Sommerferien in Busse umsteigen müssen. "Wir wissen, es ist unpopulär, eine Strecke sperren zu müssen", sagt Bernd Honerkamp, Sprecher der Deutschen Bahn für Bayern, am Mittwoch beim Ortstermin. Um die Bahnbrücken in Penzberg und Ried auf einen modernen Stand bringen zu können, sei die Stilllegung jedoch unerlässlich. "Es gibt keine Gleise, keine Oberleitungen, also kann man auch keinen Zugverkehr aufrecht erhalten."

Die Brücke über den Säubach stammt aus dem Jahr 1897. Damals sei auch die Bahnlinie in Betrieb gegangen, sagt Hans-Peter Litschel, Leiter für Instandhaltung im DB-Regionalnetz Karwendel. Der Übergang hielt erstaunlich lange stand, was Honerkamp zufolge auch daran liegt, dass 120 Jahre lang stets Passagierzüge darüber rollten, nicht etwa Güterwaggons. Ansonsten wäre die Traglast viel höher gewesen, erläutert der DB-Sprecher. Und die Lebensdauer vermutlich um einiges geringer.

2011 habe man die betagte Brücke untersucht, Proben genommen und gerechnet, sagt Litschel. Das Ergebnis: Die sogenannten Widerlager aus Beton müssen ausgetauscht werden. Auf ihnen steht der Überbau aus Stahl, auf dem wiederum der Oberbau mit Schienen, Schwellen und Schotter ruht. Für die neuen Widerlager müssen auf beiden Seiten des Übergangs je sechs Bohrpfähle in 27 Meter Tiefe getrieben werden. Die senkrechten Stahlrohre werden dann mit Beton gefüllt. Der muss aushärten, was der vorrangige Grund für die lange Dauer der Bauarbeiten und somit des Schienenersatzverkehrs ist. "Das braucht sechs Wochen", erklärt Litschel. Auf einer solchen Brücke lägen schließlich "Tonnen drauf", immer wieder rauschten Züge darüber, "das muss alles fest im Untergrund befestigt sein".

Die Sanierung der kleinen Brücke über den Säubach, der während der Bauarbeiten durch Interimsrohre in die Wiese im Süden fließt, kostet etwa zwei Millionen Euro. In Ried kommen nochmals 2,5 Millionen hinzu. Etwa 20 Millionen Euro kostet alleine die Umrüstung auf eine elektronische Steuerung der Weichen und Signale an der Bahnstrecke. Dafür waren bislang die Fahrdienstleiter in jedem einzelnen Bahnhof von Tutzing nach Kochel zuständig, künftig soll diese Aufgabe zentral im neuen elektronischen Stellwerk in Weilheim von nur mehr einem Fahrdienstleiter übernommen werden. Im September 2018 werden deshalb an zwei Wochenenden die Bahnübergänge umgebaut, auch dann werden keine Züge auf der Strecke verkehren. Deutliche Kritik hatte die SPD in Kochel an der Vorgehensweise der Deutschen Bahn geübt. Der scheidende Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel und der SPD-Ortsverein äußerten ihren Unmut darüber, dass die Deutsche Bahn die Strecke seit Jahren schon wegen dieser oder jener Arbeiten stilllege. Zudem sei der ersatzweise Busverkehr zeitraubend - "ganz abgesehen davon, dass es keine Fahrradmitnahme gibt". Das sei falsch, sagt DB-Sprecher Honerkamp. Zwischen den Ersatzbussen, die für übliche Bahnkunden, Rollstuhlfahrer und Frauen mit Kinderwagen gedacht seien, verkehrten Kleintransporter im Zweistundentakt, die bis zu 15 Fahrräder mitnehmen könnten. So könnten Touristen mit ihren Rädern bis Kochel kommen. Für größere Gruppen setze man einen Dispositionsbus ein, der den regulären Ersatzbussen bei Bedarf hinterher fahre - ebenfalls mit Platz für Fahrräder. Würde die Bahn den Zugverkehr tagsüber aufrecht erhalten, könnte nur nachts gearbeitet werden, so Honerkamp. Das wäre zum Teil sehr laut und eine große Belastung für Anwohner, außerdem würde die Sanierung so anderthalb Jahre dauern. "Jetzt können wir rund um die Uhr arbeiten und die lärmintensiven Arbeiten am Tag verrichten."

Das Bohren am Säubach soll an diesem Donnerstag beginnen - "spätestens freitags", sagt Polier Brill. Acht bis zehn Arbeiter sind auf der Baustelle beschäftigt, ebenso in Ried. Meter für Meter rollt der Transporter mit dem Bohrgerät über die Schotterpiste heran. "Wir arbeiten damit auch, wenn es regnet", sagt Brill. Nur wenn ein Gewitter aufzieht, bleibt er abgeschaltet. Zu groß wäre die Gefahr, dass der Blitz in den turmhohen Bohrer einschlägt.

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SZ vom 03.08.2017
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