Süddeutsche Zeitung

Oberbayern:Das Ickinger Geothermieprojekt steht vor dem Aus

Lesezeit: 2 min

Von Claudia Koestler, Icking

Die Hoffnung auf eine Geothermieanlage in Icking, die bis zu 60 000 Haushalte im Oberland mit regenerativen Strom versorgen sollte, ist geplatzt. Das Projekt wird eingestellt - zumindest bis auf Weiteres. Die Bohrung auf dem Areal zwischen den Ortsteilen Dorfen und Attenhausen unweit der Autobahnraststätte Höhenrain an der A 95 habe nicht den erhofften Erfolg gebracht, weitaus weniger Wasser als erwartet fanden die Projektbetreiber in der Tiefe.

Das teilt das Unternehmen am Donnerstag in einer kurzen Pressemeldung mit. "Obwohl die Reservoirtemperatur 140 Grad Celsius übersteigt, entspricht die Schüttung nicht den Erwartungen und den wirtschaftlichen Vorgaben. Daher wird das Geothermie-Projekt 'Dorfen' bis auf Weiteres eingestellt", heißt es darin.

Eine konkrete Literzahl nennt die Projektgesellschaft "Erdwärme Isar" nicht, allerdings war mit einer Schüttung von deutlich über 100 Litern pro Sekunde gerechnet worden. Damit ist zum wiederholten Male ein Erdwärmeprojekt in Oberbayern gescheitert, bevor es begonnen hat. Denn 2017 mussten bereits die Betreiber eines Geothermieprojekts in Gelting die Segel streichen, nachdem sie einen zweiten Anlauf gewagt hatten. Die Erdwärme Bayern hatte zudem heuer in Weilheim keine ausreichende Fündigkeit erreicht, sodass auch hier abgebrochen wurde.

Aufgrund der geringen Heißwassermengen in Icking hat sich auch der finnische Investor "Taaleri" aus dem Projekt zurückgezogen. Ursprünglich wollte der Finanzdienstleister mit 160 Millionen Euro einsteigen, für das Gesamtprojekt mit Kraftwerk wohlgemerkt. Wie viel davon bereits investiert wurde, teilt Erdwärme Isar nicht mit. Etwa drei Millionen Euro Verlust verbucht das Unternehmen Taaleri jedoch nach eigenen Angaben nun in 2018, weil das Geothermieprojekt gescheitert sei. Weil die Tests gezeigt hätten, dass das Projekt nicht wirtschaftlich realisierbar sei, habe Taaleri beschlossen, sich zurückzuziehen.

Das Projekt war bei Bürgern und Politikern umstritten

Damit sind nun alle weiteren Arbeiten auf dem Bohrplatz Dorfen und dem zweiten Bohrplatz bei Walchstadt zunächst auf Eis gelegt. Das Unterfangen untersteht weiterhin dem Bergrecht, so dass weitere Schritte - etwa das Verfüllen des Bohrlochs - mit dem Bergamt abgesprochen werden müssen. Ob sich ein anderer Investor findet, der eine Ablenkungsbohrung wagt, oder ob das gesamte Projekt abgebrochen und die bisherigen Bohrfelder und Infrastrukturen zurückgebaut werden sollen, wird nun von den Verantwortlichen eruiert. "Die Entscheidung wird im Januar fallen", erklärt dazu die Gemeinde Icking.

Bürgermeisterin Margit Menrad (UBI) hatte von dem "sehr weit unter den Erwartungen liegende Ergebnis" in Sachen Heißwasser am Mittwochabend telefonisch erfahren. "Auch unsere Beschlüsse und Verträge liegen auf Eis, bis wir wissen, wie es weitergeht", erklärt sie dazu. Dass es nun nach den hohen Erwartungen ein solch ernüchterndes Ergebnis gebe, betrachte sie mit gemischten Gefühlen. Immerhin sollte die Anlage von der Stromleistung her Deutschlands größte werden. "Wie heißt es, zwei Herzen schlagen ach in meiner Brust", formuliert es die Rathauschefin.

Einerseits war das ambitionierte Projekt bei Bürgern und Politikern umstritten. Sie hatten Sorge um die Natur, Furcht vor möglichen Schäden an Gebäuden und Straßen, vor Lärmbelästigung und Schwerlastverkehr. Für die Gemeinde war das Thema ein Kraftakt: Per städtebaulichem Vertrag und Bebauungsplan wollte die Kommune sich und ihre Bürger den größtmöglichen Schutz sichern, doch die Anforderungen waren so immens und komplex, dass Menrad teilweise gar um Hilfe beim Wirtschaftsministerium ersuchte.

Auf der anderen Seite hätte mit der Anlage das Ziel der Energiewende für den Landkreis quasi erfüllt werden können, was einem bundesweiten Leuchtturmcharakter gleichgekommen wäre. Die Frage ist nun auch, nach einem weiteren gescheiterten Erdwärmeprojekt in der Region, ob die Geologie im Oberland generell ungeeignet ist für Geothermie. Zwar war das Wasser bislang in der Tiefe immer heiß genug - doch es war sowohl in Gelting wie auch in Icking zu wenig.

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Quelle:
SZ vom 21.12.2018
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