Süddeutsche Zeitung

Katholische Kirche:Wo die Fronleichnamstradition ihren Anfang nahm

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Die Prozession in Benediktbeuern gilt als die älteste Bayerns. Vor 750 Jahren wurde sie dort erstmals begangen. Aber hat der Klosterort auch den Umzug erfunden? Eine Spurensuche.

Von Celine Chorus, Benediktbeuern

Ministranten, Fahnenträger, Gebirgsschützen - alle werden sie dabei sein, wenn die katholische Kirche an diesem Donnerstag eines ihrer Hochfeste begeht. Wohl kein katholisches Fest dient so sehr der Demonstration des christlichen Glaubens wie Fronleichnam. Gerade in Bayern gelten die Prozessionen als die schönste Selbstdarstellung der katholischen Kirche in der Öffentlichkeit. Erinnert wird damit an die Gegenwart von Jesus Christus im geweihten Brot und im Wein - und im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen hat das Fest eine besonders lange Tradition.

Die Fronleichnamsprozession in Benediktbeuern gilt gar als die älteste Bayerns. Das Fest wurde 1264 offiziell angeordnet. Bereits neun Jahre später, im Jahr 1273, soll es in Benediktbeuern erstmals begangen worden sein. Eine Urkunde zur Erlaubnis dieses Festes, ausgestellt vom Augsburger Bischof, befindet sich noch immer im Kloster. Aber hat der Klosterort auch die Prozession erfunden?

Fest steht: Benediktbeuern kann auf die älteste urkundliche Erwähnung des Fronleichnamsfestes in Süddeutschland blicken. Die erste Prozession soll jedoch 1279 in Köln und erst 1286 in Benediktbeuern stattgefunden haben. Mesner Christian Höck kann auf die Frage, welches Datum stimmt, keine abschließende Antwort geben: "Wir beziehen uns immer auf die Urkunde. Das ist das Dokument, das als Kopie in Benediktbeuern vorhanden ist, und das ist unser offizielles Datum."

Der inzwischen gestorbene Pater Leo Weber, Kirchen- und Kunsthistoriker des Klosters Benediktbeuern, und die Pfarrei Benediktbeuern sprechen dennoch bewusst von einer Fronleichnamstradition und nicht von einer Fronleichnamsprozession. "Dieses Fest der eucharistischen Verehrung wird überall anders gefeiert", erklärt Höck: "Wann man aus der Kirche rausgegangen ist und diese Prozession eingeführt hat, wann man begonnen hat, durchs Dorf oder die Stadt zu gehen - das kann man nicht mehr feststellen."

An Fronleichnam wird alles herausgeholt, was die Kirche zu bieten hat

In der Liturgie wird Fronleichnam auch als "Hochfest des Leibes und Blutes Christi" bezeichnet. Die Bezeichnung setzt sich aus den mittelhochdeutschen Wörtern vrône (= Herr) und lîcham (= lebendiger Leib) zusammen. Im Mittelpunkt des katholischen Hochfestes steht somit die Eucharistie, also die Weihung von Brot und Wein durch den Priester. Traditionell wird die Hostie anschließend in einer Monstranz, einem liturgischen Schaugefäß, durch die Straßen getragen.

Entstanden ist das Fest im 13. Jahrhundert im Bistum Lüttich, wo die Augustinernonne Juliane von Cornillion eine Vision erfahren hat. In einem Traum habe sie den Vollmond gesehen, der an einer Stelle jedoch einen dunklen Fleck hatte. Sie deutete dies als Zeichen dafür, dass der Kirche ein Fest zu Ehren des Altarsakraments fehle. Erstmals wurde Fronleichnam 1246 im Bistum Lüttich gefeiert und 1264 von Papst Urban IV. zum allgemeinen Kirchenfest erhoben.

Wie das erste Fronleichnamsfest in Benediktbeuern ausgesehen hat, ist nicht überliefert. War es eher ein Gottesdienst mit eucharistischer Prägung? Die Prozession, wie man sie aus heutigen Zeiten kennt, gehörte anfangs wohl nicht zu den Feierlichkeiten des Fronleichnamsfestes. "Das kann man sich bestimmt nicht so vorstellen, wie es heute aussieht", sagt auch Höck. Er schätzt, dass das Fest zu seinen Anfängen noch einfacher und schlichter war: "Vielleicht hat man das Klostergelände auch gar nicht verlassen und sich nur im Kreuzgang auf den Weg gemacht. Das sind aber alles nur Spekulationen."

Seit dem Jahr 1273 hat sich jedenfalls einiges verändert. Mit einem Gottesdienst in der festlich geschmückten Basilika St. Benedikt beginnen am Donnerstagmorgen in Benediktbeuern die Feierlichkeiten. Danach begleiten die Gläubigen in ihren festlichen Trachten die vom Pfarrer getragene Monstranz durch den Ort. An vier Altären verweilt die Prozession zum Gebet. "Die jetzige Prozession - dass man die Eucharistie in den Vordergrund stellt, dass man alles herausholt, was die Kirche zu bieten hat, und es auf die Straße trägt - ist erst aus der Gegenreformation entstanden."

Die Pfarrei ermutigt alle, die Fronleichnamstradition wiederaufzunehmen

Der Benediktbeurer Festzug gliedert sich in insgesamt 25 Teile, und dabei gibt es einige Besonderheiten: Neben der Benediktusfigur wird auch eine Reliquie der Märtyrerin Anastasia mitgeführt. Sie soll das Dorf 1704 vor der Zerstörung durch Tiroler und österreichische Soldaten bewahrt haben. Die wertvolle Reliquie wird von den Antlaß- und Gebirgsschützen getragen, die im Isarwinkel eine zentrale Bedeutung haben. Neben Benediktbeuern gibt es sie auch in Lenggries, Wackersberg oder Gaißach.

Ihren Namen haben die Schützen von Fronleichnam, das in Anlehnung an den Gründonnerstag auch "Großer Antlaßtag" genannt wurde. Die Begleitung der Monstranz macht das Fest zu ihrem höchsten Ehrentag - und liegt in der Vergangenheit begründet. "Früher wurde der Priester zu einem Kranken oder einem Sterbenden gerufen", erklärt Höck die Entstehung solcher Kompanien, "und weil die Wege am Abend oder in der Nacht nicht sicher waren, wurde er von Männern begleitet, die ihn beschützt haben. Daraus haben sich dann die bewaffneten Beschützer entwickelt." Die Bezeichnung "Gebirgsschützen" kam erst später dazu, als die Landesverteidigung in den Vordergrund ihres Handelns rückte.

Am darauf folgenden Sonntag findet eine zweite Fronleichnamsprozession statt. Dort ziehen die Gläubigen in einer Flurprozession von Benediktbeuern in den Nachbarort Bichl, der ebenfalls zum Pfarrverband gehört. Dass an beiden Tagen ein unterschiedlicher Fokus gesetzt wird, zeigt sich auch in den Gebeten: "Donnerstags werden Gebetsanliegen gesprochen für die Welt und den Frieden und sonntags eher für die Schöpfung und die Landwirtschaft."

Deutlich anders als in früheren Jahren könne man das Fest zu seinem 750-jährigen Jubiläum aber auch nicht begehen. Wenn man sich Fronleichnam in Benediktbeuern anschaue, könne es festlicher eigentlich gar nicht mehr werden. Als Pfarrei könne man die Prozessionen nur noch mehr bewerben, sagt Höck: "Wir versuchen, die Leute zu motivieren, das Jubiläum zum Anlass zu nehmen, diese Tradition wiederaufzunehmen und zu pflegen." Denn ob jung oder alt, in Tracht oder festlichem Gewand, in Vereinen oder mit der Familie: Bei der Fronleichnamsprozession sind alle Menschen willkommen, betont Höck. "Das ist der eigentliche Sinn des Ganzen: Dass man rausgeht und den Segen aus der Kirche trägt."

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