Süddeutsche Zeitung

Medizinische Forschung:Netzwerk für Immunologie

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Am neuen Fraunhofer-Standort bei Roche in Penzberg forschen Mitarbeiter zu Infektionen und Pandemien. Von dort wollen sie weltweit Kontakte knüpfen.

Von Benjamin Engel, Penzberg

Weltweite Impulse zur medizinischen Erforschung von Infektionen und Diagnoseverfahren sollen von Penzberg ausgehen. Von einem "neuen Zentrum eines globalen Netzwerks in der Immunologie-Forschung" sprach der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, als er am Montagnachmittag den erst vor einem knappen halben Jahr gegründeten neuen Standort des Fraunhofer-Instituts im Nonnenwald besuchte. Dort könnten schon in wenigen Jahren um die hundert Wissenschaftler in Fragen der Immunologie, Infektions- und Pandemieforschung tätig sein. Bislang sind neun Mitarbeiter in vom Biotechnologie-Unternehmen Roche angemieteten Laboren tätig. Optimistisch kalkulierte Standortleiter Michael Hoelscher, dass womöglich schon 2023 der Grundstein für ein eigenes Gebäude in Penzberg gelegt sein könnte.

Um sich einen Einblick zu verschaffen, was sich am neuen Fraunhofer-Standort seit Mai getan hat, waren neben Dobrindt auch dessen Stellvertreterin in der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Katrin Staffler, sowie der Penzberger Bürgermeister Stefan Korpan (CSU) gekommen. So erfuhren sie an Ort und Stelle, dass schon einiges angestoßen worden ist. Aus sieben Forschenden sind bereits neun geworden, vier weitere sind im Einstellungsverfahren, acht Stellen gerade ausgeschrieben.

Laut Standortleiter Hoelscher, der auch Direktor der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin am Klinikum der Ludwigs-Maximilians-Universität (LMU) in München ist, sollen die Mitarbeiter zum einen neue Erreger identifizieren, auch spezifisch solche, die in der Tierwelt verbreitet sind. So wolle man in Kooperation mit Roche im Fall einer erneuten Pandemie möglichst schnell Diagnoseverfahren, Impfstoffe und Therapieansätze entwickeln. "Wer schon einmal mit ähnlichen Erregern gearbeitet hat, kann schneller vorankommen", erklärte Hoelscher. Das habe sich auch bei Coronaviren gezeigt. "Wir wollen eine globale Probensammlung auf den Weg bringen." In der Pandemie habe man gelernt, wie wichtig es ist, Netzwerke unter Forschenden zu pflegen. Vom Penzberger Instituts-Standort habe man daher bereits persönliche Kontakte etwa nach Äthiopien oder Tansania geknüpft. Das Netzwerk solle weltweit ausgebaut, Studenten weitergebildet, Proben ausgetauscht und gemeinsame Ringversuche organisiert werden.

Der Standort in Penzberg ist für das neue Fraunhofer-Institut laut Hoelscher ideal. Als Partner hat die Einrichtung zusätzlich zu Roche die LMU und deren Klinikum in München-Großhadern gewonnen. Rund um die Landeshauptstadt existiere der größte Biotech-Standort Europas. Das biete großes Potenzial, um wissenschaftlich erfolgreich zu arbeiten und sich eng mit Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitssystems auszutauschen, sagte Hoelscher. Das Fraunhofer-Institut forsche etwa daran, neue dezentral einsetzbare und digital-vernetzte Testgeräte zu entwickeln, um Daten besser zusammenführen zu können.

Derzeit arbeitet die Einrichtung an zwei neuen Projekten. Es geht darum, die Diagnostikverfahren für einen global vorkommenden Erreger zu verbessern. Mit zwei Unternehmen werden neue Testverfahren evaluiert. Wie Gerd Geisslinger, Leiter des an den Penzberger Standort angedockten Fraunhofer-Instituts für Translationale Medizin und Pharmakologie (ITMP), erklärt, sei das charakteristisch für die Tätigkeit seiner Gesellschaft. Weniger als 30 Prozent der eingesetzten Forschungsgelder stammten aus der Grundfinanzierung. Der Rest werde über öffentliche Forschungsprojekte und Kooperationen mit der Wirtschaft generiert. "Medikamente und Therapien müssen beim Patienten ankommen." Nur so entstünden Innovationen, so Geisslinger.

Für den Aufbau des Fraunhofer-Standorts im Nonnenwald haben Bund und Freistaat 80 Millionen Euro Fördermittel gewährt. "Wir stehen weiterhin als Partner bereit, auch wenn es darum geht, Sie finanziell zu unterstützen", bekräftigte Dobrindt. Eine globale Datenbank, mit der Wissenschaftler in der Infektions- und Pandemieforschung zusammenarbeiten könnten, sei wünschenswert. Die Welt sei so vernetzt, dass die Menschheit selbst mit den seltensten Erregern in Kontakt komme. "Die Prävention ist das zentrale Thema", sagte Dobrindt. Einen besseren Stopp für ihre Tour "Zukunft Made in Bavaria" könne sie sich gar nicht vorstellen, betonte Katrin Staffler. "Die Forschung in die Anwendung zu bringen, füllen Sie mit Leben", sagte die Fachpolitikerin für Wissenschaft und Forschung im Bundestag. "Sie sind Vorbild und Leuchtturm."

Zur globalen Vernetzung wird auch am LMU-Klinikum in München-Großhadern laut Hoelscher ein neues Gebäude als Diagnostik-Zentrum aufgebaut. In Penzberg könnte 2025 ein Laborgebäude für Fraunhofer fertig sein. "Dann steht einem eigenständigen Institut nichts mehr entgegen."

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