Süddeutsche Zeitung

München/Wolfratshausen:Eine Tradition, die den Sommer prägt

Lesezeit: 3 min

Passagierfloßfahrten wurden 2020 ins immaterielle Kulturerbe Bayerns aufgenommen. Eine offizielle Verleihungszeremonie wird es coronabedingt aber nicht geben. Der Flößer-Kulturverein München-Thalkirchen hat seinen Erfolg nun aber immerhin mit den Floßmeistern nachgefeiert.

Von Konstantin Kaip, München/Wolfratshausen

2021 sollte eigentlich ein gutes Jahr für die Flößer werden. Nach der ausgefallenen Saison im ersten Corona-Jahr hatten sie auf einen Neustart auf dem Wasser gehofft. Und zudem hätte die 2020 erfolgte Aufnahme der Passagierfloßfahrt auf Isar und Loisach ins immaterielle Kulturerbe Bayerns gebührend gefeiert werden sollen, mit dem Nachholtermin der Urkundenverleihung in der Münchner Residenz. Doch Corona wütet weiter, die Flößersaison fiel abermals komplett aus. Und die Verleihungszeremonie wurde wegen der anhaltenden Pandemie endgültig abgesagt. Stattdessen gab es lediglich eine kurze Videobotschaft vom bayerischen Finanz- und Heimatminister Albert Füracker, der allen Vertretern der neu ins Verzeichnis aufgenommenen Bräuche und Handwerke gratulierte. Sie leisteten "einen unverzichtbaren Beitrag, um unsere bayerischen Traditionen lebendig zu halten", sagt er in einem Zwei-Minuten-Clip.

Helga Lauterbach war das dann doch zu wenig. Die Gründerin des Flößer-Kulturvereins München-Thalkirchen und maßgebliche Initiatorin der Bewerbung wollte den Erfolg mit allen Beteiligten gemeinsam feierlich würdigen. Dazu hatte sie am Freitag Mitglieder des Vereinsvorstands samt der Flößer ins Café Tambosi am Münchner Hofgarten geladen - wenige Meter entfernt vom Kaisersaal der Residenz, in dem die ministeriale Verleihung stattgefunden hätte, um die Urkunde und die Plakette zur Aufnahme in das immaterielle Kulturerbe zu präsentieren.

Für diejenigen, die dieses Kulturerbe nach alter Tradition aufrechterhalten, kamen die Floßmeister Michael Angermeier aus Wackersberg und Josef Seitner aus Wolfratshausen. Sein Cousin Franz, der dritte aktive Flößer, blieb aus gesundheitlichen Gründen zu Hause. Lauterbach erklärte ihr Bedauern darüber, dass der ersehnte Staatsakt abgesagt wurde und skizzierte in Stichpunkten den Weg, den der Verein mit den Flößern beschritten hatte, um das alte Handwerk würdigen zu lassen: 2016 keimte die Idee für den Antrag, erzählte sie. Denn zwar war die Flößerei seit 2014 im bundesweiten Kulturerbeverzeichnis aufgenommen, aber noch nicht aber im bayerischen. Dabei sei die Passagierfloßfahrt auf Isar und Loisach doch eine typisch bayerische Tradition, die sich dort wiederfinden müsse. Nach Bildung eines Arbeitskreises im Verein, Kontaktaufnahmen mit dem damals noch zuständigen Staatsministerium für Bildung und Wissenschaft und dem Besuch einer Info-Veranstaltung der Unesco-Kommission in Augsburg fassten der Vereinsvorstand und die Flößer am 7. Januar 2018 im Gasthof Flößerei in Wolfratshausen den Beschluss, gemeinsam den Antrag zu stellen.

Lauterbach bedankte sich bei den Vereinsmitgliedern und zahlreichen externen Helfern, die in vielen Arbeitsstunden die nötigen Unterlagen und Belege zusammengetragen hatten. So habe etwa Monika Heidl-Seitner, Tochter des Floßmeisters Franz Seitner und Geschäftsführerin des Familienbetriebs in Wolfratshausen, den noch immer praktizierten Zusammenbau der Floße beschrieben. Im September 2019 wurde der Antrag dann, nach mehrfacher Modifizierung und mit zahlreichen fachlichen Begleitschreiben, pünktlich nach der Floßsaison fristgerecht eingereicht.

Der bayerische Ministerrat hat schließlich im April 2020 entschieden, die Passagierfloßfahrt auf Isar und Loisach ins Landesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufzunehmen, dessen Logo Flößer und Kulturverein seitdem verwenden dürfen. "Das große Highlight sollte die Übergabe der Urkunde durch Herrn Füracker in der Residenz sein", sagte Lauterbach. Die Corona-Pandemie aber habe dem einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Stattdessen ließ sie im Tambosi Seitner und Angermaier die Urkunde und die passende Plakette des Staatsministeriums an den Vereinsvorsitzenden Klaus Menk überreichen. Der wird beides nun verwahren, bis es im geplanten Flößereimuseum einen würdigen Platz bekommt, für das der Verein noch nach geeigneten Räumlichkeiten sucht. Die Aufnahme ins bayerische Kulturerbe sei auch "eine Verpflichtung, die Flößerei und ihre jahrhundertealte Tradition im Bewusstsein vieler zu halten", sagte Menk und ließ dann mit Prosecco "auf die Zukunft der Flößerei und des Flößer-Kulturvereins" anstoßen. Unter den Gäste, die ihre Gläser hoben, war auch Michael Stephan, der ehemalige Leiter des Münchner Stadtarchivs, der die historischen Daten für die Bewerbung beigesteuert hatte, und zwei Mitarbeiterinnen des Ministeriums, die druckfrische Broschüren mit dem aktuellen Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Bayern verteilten. Minister Füracker war laut Lauterbach am Freitag nicht in München, ließ jedoch Grüße ausrichten.

Die beiden Flößer zeigten sich zufrieden mit der Anerkennung. "Für uns ist das eine besondere Ehre", sagte Angermeier über die Aufnahme seiner Familientradition ins Kulturerbe. "Vor ein paar Jahren hat's noch geheißen: Ihr fahrt's ja bloß Bsoffene da runter." Man werde sich weiter Mühe geben, versprach er für seine Zunft. "Wir hoffen, dass wir nächstes Jahr vom Corona-Zwist befreit die Leute wieder zufriedenstellen können." Und Josef Seitner erinnerte an seinen Großvater, der 1900 mit den Vergnügungsfloßfahrten nach München begonnen hatte, damals noch für Vereine wie die "giftigen Schwammerl" und Studentenverbindungen, die mit der Isartalbahn nach Wolfratshausen kamen. Man stelle sich vor, wie sich die Personenfloßfahrt entwickelt habe, sagte er. "Wir sind stolz auf unsere Vorfahren."

Im kommenden Jahr, damit rechnen beide Flößer fest, werde man das immaterielle Kulturerbe auf dem Fluss wieder live erleben können. Sie seien bereits "voll in der Buchung" für die Saison 2022, sagten Seitner und Angermeier. Ihre Stammkunden hätten bereits versichert, dass alle Teilnehmer bei den Floßfahrten geimpft sein werden. Ein drittes Jahr wäre wohl nicht nur für die Familienbetriebe im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen kaum zu verkraften. "Die Flößerei prägt den ganzen Sommer das Gesicht Münchens", sagte Lauterbach. Ankunft und Auseinanderbauen der Flöße an der Thalkirchner Floßlände seien eine Attraktion. Viele Münchner brächten ihren Besuch dorthin, um diese Tradition herzuzeigen. "Und jetzt war es dort schon im zweiten Sommer so leer."

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SZ vom 08.11.2021
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