Süddeutsche Zeitung

Digitalisierung:Langsamer Anschluss für schnelles Surfen

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In einigen Landkreis-Kommunen will die UGG das Glasfasernetz rasch ausbauen. Weil sich dies verzögert, hat Kochel den Kooperationsvertrag aufgekündigt. Das Unternehmen begründet die Verzögerung auch mit einer veränderten Marktlage - und will weiter ins Geschäft kommen.

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Für einen schnelleren Breitbandausbau als bislang schien das Unternehmen "Unsere Grüne Glasfaser" (UGG) für einige Landkreis-Kommunen noch im Vorjahr ein idealer Partner. Kochel am See, Münsing sowie Reichersbeuern, Sachsenkam und Greiling schlossen Kooperationsvereinbarungen beziehungsweise Absichtserklärungen, bei diesem Vorhaben zu unterstützen.

Doch insbesondere aus der Sicht der Kochler Rathausverwaltung ist seitdem zu wenig vorangegangen. Die Kommune im Südwesten des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen hat daher den Kooperationsvertrag mit der UGG aufgekündigt und setzt nun stattdessen auf die Telekom. In Münsing reagiert die Verwaltung darauf äußerst besorgt. In der Kommune am Ostufer des Starnberger Sees sollte ab dem heurigen Frühjahr losgelegt werden, in Kochel am See bereits 2022 und heuer alles fertiggestellt sein. Dieser Zeitplan, so zeigt sich jetzt, wird kaum zu halten sein. Im Landkreis-Süden sind die konkreten Ausbauarbeiten bislang ausgeblieben.

Inzwischen ist wohl selbst der Unternehmensspitze der UGG - ein Tochterunternehmen der Telefónica und der Allianz - bewusst, mehr versprochen zu haben als zu halten war. "Heute würden wir defensiver vorgehen, um falschen Erwartungen vorzubeugen", sagt Jörn Schoof in einem Videotelefonat am vergangenen Mittwoch. Der Chief Commercial Officer (CCO) der UGG räumt einerseits Planungsfehler ein, spricht allerdings von einer veränderten Marktlage. Durch den Ausbruch des Krieges in der Ukraine hätten sich Materialengpässe und Lieferkettenprobleme verschärft. Personal aus Osteuropa - ohne Mitarbeiter gerade aus dieser Region sei der Breitbandausbau in Deutschland laut Schoof nicht zu stemmen - sei vielfach in Heimatländer zurückgereist und daher nicht einsetzbar.

"Uns liegt Kochel am Herzen", so der UGG-CCO

Für die UGG bekräftigt CCO Schoof, das Breitbandnetz in den Kommunen, in denen das Unternehmen dies angeboten habe, auch ausbauen zu wollen. Selbst für Kochel am See gelte das weiterhin. "Uns liegt Kochel am Herzen", so Schoof. Dass die Kooperationsvereinbarung aufgekündigt worden sei, finde er sehr schade. Zu Verzögerungen geführt habe, dass die UGG die Planungen habe überarbeiten müssen. Der Ortsteil Walchensee sei entlang der am Westufer des Walchensees führenden Bundesstraße 11 nur schwierig anzubinden. Daher habe sich die UGG entschieden, in diesem Ortsteil der Kochler Kommune auf einen Glasfaserausbau zu verzichten, auch weil es dort laut dem Breitbandatlas bereits bessere Internetverbindungen gebe. Problematisch sei ebenso, dass die Telekom zu ihrer auch für die UGG nutzbaren Infrastruktur nicht informiert habe.

Darüber habe er in der Dezember-Sitzung des Kochler Gemeinderats berichtet und um einige Wochen Fristverlängerung zu Jahresbeginn 2023 gebeten, schildert Schoof. Mit dem Kochler Bürgermeister Thomas Holz (CSU) wolle er nochmals ein persönliches Gespräch suchen. Das Angebot, das Glasfasernetz in Kochel am See, Urfeld sowie den angrenzenden Kommunen Großweil und Ohlstadt auszubauen, sei für die UGG keineswegs erledigt.

Kochel will nun mit der Telekom ins Geschäft kommen

Die Chancen dafür scheinen momentan jedoch alles andere als gut. Der Kochler Bürgermeister spricht von großen Planungsfehlern der UGG. "Wir haben eine Frist bis Ende Februar gesetzt, eine verbindliche Aussage für das ganze Gemeindegebiet zu machen", sagt Holz auf Nachfrage. Zwischen der UGG und der Gemeinde habe es immer wieder Treffen gegeben, seit die Kommune im Februar 2022 die Kooperationsvereinbarung beschlossen habe. Nichts sei vorangegangen. "Wir haben keine Rückmeldung bekommen, die uns zufriedengestellt hat", so Holz. Daher habe er parallel die Telekom kontaktiert. Ursprünglich habe das Telekommunikationsunternehmen angekündigt, wohl erst im Jahr 2026 mit dem Ausbau beginnen zu können, mittlerweile sei 2024 als Startjahr in Aussicht gestellt. Die Offerte der UGG sei anfangs als das bessere Angebot erschienen. "Wir haben uns das lang genug angeschaut", so Holz.

In Kochel am See hat die UGG nach Angaben von Schoof schon einige Hundert Kunden werben können. Dass an einige womöglich schon Rechnungen und Mahnungen geschickt worden seien, wie es heißt, will Schoof nicht ganz ausschließen. Normalerweise werde aber erst Geld abgebucht, wenn der Anschluss faktisch möglich sei. Zudem sei die UGG allein dafür verantwortlich, das Netz auszubauen. Für die Vertragsabwicklung sollten sich Bürger an die jeweiligen Internetanbieter wenden. Für die Kommune Münsing sei die Kundenwerbung noch gar nicht angelaufen. Der Ausbau werde dort aber nicht wie angekündigt im Frühjahr, sondern voraussichtlich erst im kommenden Sommer beginnen. Denn technologisch gehörten Münsing und die Nachbargemeinde Berg sinnvollerweise zusammen. Es liefen Gespräche mit der dortigen Verwaltung, das Glasfasernetz gemeinsam auszubauen.

Für Reichersbeuern, Greiling und Sachsenkam nennt Schoof keinen Zeitplan. Die für den Ausbau vorgesehene Nachbarkommune Holzkirchen habe kein Interesse. "Wir überprüfen das Cluster neu", sagt der UGG-CCO.

Tiefbaufirmen seien nur schwer verfügbar, so Grasl

Die Kommune Münsing hat ihr Breitbandnetz bisher mittels staatlicher Förderverfahren ausbauen lassen. Auch aufgrund des Bürokratieaufwands ging dies nur langsam voran. Die Gemeinde verlege überall Leerrohre, wenn aufgegraben werde. Doch es passiere nichts, so Bürgermeister Michael Grasl (FW). Die UGG habe in Aussicht gestellt, zeitnah auszubauen. Mit dem Unternehmen habe die Kommune bisher aber nur eine Videokonferenz geführt und mögliche Standorte für Verteiler genannt. "Seitdem ist nichts passiert", so Grasl. Er gehe davon aus, dass dies damit zusammenhänge, dass Tiefbaufirmen bundesweit schwer verfügbar seien, die Verzögerungen eine Frage der Firmen- und Konzernlogistik seien.

Ebenso nutzt Grasl die Gelegenheit zur Grundsatzkritik. Der Bürgermeister verweist auf den von der bayerischen Staatsregierung, kommunalen Spitzenverbänden und Netzbetreibern unterzeichneten "Pakt Digitale Infrastruktur". Danach soll der Mobilfunk- und Breitbandausbau bis 2025 beschleunigt werden. "Vollmundige Ankündigungen der Politik mit schönen Fotos helfen leider nichts", so Münsings Rathauschef.

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