Affäre um "Scheineinladungen":Türkgücü womöglich Opfer von Kriminellen
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Hat der Sportverein durch "Scheineinladungen" bei der illegalen Einreise türkischer Staatsbürger geholfen? Türkgücü wehrt sich juristisch gegen diese Vorwürfe - das Schreiben sei eine Fälschung.
Von Stefanie Schoene
In der deutsch-türkischen Affäre um den mutmaßlichen Missbrauch "grauer Pässe" wehrt sich der Münchner Sportverein Türkgücü nun juristisch gegen Vorwürfe, "Scheineinladungen" für den Besuch türkischer Staatsbürger in München ausgesprochen zu haben. Sowohl in Deutschland als auch in der Türkei habe man Anzeige gegen Unbekannt wegen Urkundenfälschung, Verleumdung und Beihilfe zur Aufenthaltserschleichung gestellt, sagt Kenan Kivran, zuständig für Finanzen und Öffentlichkeitsarbeit des Klubs. Bei dem Einladungsschreiben handele es sich um eine Fälschung.
Der Verdacht, dass Behörden und Stadtverwaltungen in der Türkei Menschenschmuggel nach Almanya befördert oder geduldet haben könnten, beschäftigt inzwischen mehrere Staatsanwaltschaften, die Bundespolizei und die diplomatischen Vertreter beider Länder. In mindestens sieben türkischen Provinzen wurden Reisegruppen mit je bis zu 110 Teilnehmern von "Scheineinladern" aus Deutschland für Projekte mit offiziellen "grauen Pässen" ausgestattet und in Bussen nach Deutschland gefahren. Viele Projekte sollen nie stattgefunden haben. Seit 2018 sollen laut tagesschau.de so bis zu 3000 Menschen illegal eingereist und verschwunden sein.
In der vergangenen Woche waren Dokumente aufgetaucht, die auch den Münchner Fußballverein Türkgücü mit einer solchen "Scheineinladung" in Verbindung bringen. Laut den Unterlagen hat "Münih Türk Gücü 1975" Anfang vergangenen Jahres 45 Mitglieder eines Sportvereins der Gemeinde Ceylanpinar im südostanatolischen Urfa eingeladen. 37 Personen wurden vom Gouverneur der Provinz Urfa schließlich auf Antrag der Stadtverwaltung mit den grauen Dienstpässen versorgt. Diese Pässe erlauben eine visafreie Einreise in den Schengenraum und andere Staaten und müssen dem Gouverneur bei Rückkehr wieder ausgehändigt werden.
Zu Türkgücü liegt der SZ das auf Deutsch verfasste Einladungsschreiben vor. Der magere Brief trägt oben das Wappen von Türkgücü, besteht aus nur zwei Absätzen und ist mit "Einladung für Jugend- und Sportverein Şanlıurfa" überschrieben. Weiter heißt es: "Als ein türkischer Geschäftsmann möchte ich hiermit, im Rahmen des Projekts 'Sport ist Brüderschaft' Ihren Sportclub zwecks Bildung einer Brücke zwischen Deutschland und der Türkei (Sanliurfa) nach München einladen." Wie der "Geschäftsmann" heißt, erfährt man nicht, der Brief hat keinen namentlichen Absender.
Tatsächlich entspricht die Ausführung des Türkgücü-Wappens auf dem Schreiben weder dem aktuellen Logo noch dem des früheren SV Türk Gücü. Kenan Kivran ist sicher: "Das ist ein Fake. Das Wappen ist insgesamt falsch und unser Stempel hatte - anders als hier - noch nie ein Logo." Auch der angegebene Link "turkgucu-ataspor" läuft ins Leere, die angebliche Münchner Telefonnummer führt zu keinem Anschluss.
Der Landtagsabgeordnete Cemal Bozoglu (Grüne) hält eine Fälschung ebenfalls für möglich. Er hatte die Affäre in der vergangenen Woche mit Recherchen in der Türkei und Anfragen an das bayerische Innenministerium auf die Tagesordnung des Landtags gesetzt. "Das Einladungsschreiben macht tatsächlich den Eindruck einer schlecht gemachten Fälschung. Wenn das so ist, spräche das jedoch umso deutlicher für eine gut organisierte, aus der Türkei auch staatlich unterstützte illegale Operation."