Süddeutsche Zeitung

Tengelmann-Übernahme:Jeder Supermarkt lohnt sich

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Was passiert mit den Tengelmann-Supermärkten um die Ecke, wenn Edeka sie kauft? Manche wechseln wohl ihre Farbe, andere die Billigmarke. Dass sie ganz verschwinden, kann sich München eigentlich nicht leisten.

Von Anant Agarwala

85 Tengelmann-Filialen gibt es derzeit in München. Vom nächsten Sommer an sind es wahrscheinlich: null. Ob die Leuchtreklamen über den Supermärkten weiter in Rot-Gelb erstrahlen oder in Gelb-Blau, ob weiter "Kaisers Starmarke" in den Regalen liegt oder "Gut & Günstig" - darüber hat der Edeka-Konzern, der alle Tengelmann-Märkte übernehmen möchte, zwar noch keine Angaben gemacht. Branchenkenner wie Joachim Stumpf, Geschäftsführer der Handelsberatung BBE, sind sich aber sicher: "Die Marke Tengelmann fällt." Es lohne sich nicht, Tengelmann eigens zu bewerben und im Einkauf auf die wesentlich besseren Konditionen der riesigen Edeka-Kette zu verzichten. Außerdem habe Tengelmann kein überragendes Image, das man bewahren müsste.

Ein Großteil der Supermärkte wird daher wohl zu Edeka-Märkten umgeflaggt, andere zu Netto-Discountern, denn die gehören ebenfalls zu Edeka. "Das wird strategisch von Standort zu Standort entschieden", sagt Stumpf. "Wenn es in unmittelbarer Nähe von einem Tengelmann schon einen Edeka-Markt gibt, ist es wahrscheinlich, dass aus dem Tengelmann ein Netto wird."

Gute Aussichten für die Angestellten von Tengelmann

Ganz um ihren Lebensmittelmarkt um die Ecke fürchten, das müssen die Münchner aller Voraussicht nach nicht. Dass Läden geschlossen werden, erscheint sehr unwahrscheinlich. Laut dem Handelsverband Bayern gibt es in München keine Überversorgung. Einige Stadtteile, wie etwa die Untere Au, könnten sogar noch mehr Märkte vertragen. Flächen im Stadtbereich, auf denen neue Filialen entstehen könnten, gibt es aber kaum. Das heißt: Jeder existierende Standort lohnt sich. So dürften auch die kleinen Tengelmann-Filialen in Schwabing oder der Maxvorstadt, die kaum in Hochglanz-Edekas umzurüsten sind, bestehen bleiben. Aussichten, die neben den Konsumenten auch die Angestellten von Tengelmann freuen werden.

So oder so: Im Kampf um die Münchner Kunden wäre die Übernahme von Tengelmann eine ziemliche Ansage Edekas an ihren Hauptkonkurrenten Rewe. Mit potenziell dann über 120 Edeka- gegenüber rund 70 Rewe-Märkten in München, würde sich auch das Stadtbild stark wandeln. "Für die Marke Edeka wäre die Übernahme von Tengelmann ein extremer Gewinn", sagt Handelsberater Joachim Stumpf. Auch Netto dürfte auf dem Discounter-Markt profitieren.

Das Bundeskartellamt will den Deal sehr genau prüfen

Abzuwarten bleibt zunächst aber, ob der Deal überhaupt zustande kommt. Bis zur geplanten Übernahme im kommenden Sommer will das Bundeskartellamt prüfen, ob Edeka durch den Zukauf eine zu große Marktmacht erhält. Erst vor drei Wochen hatten die Kartellwächter eine bedenklich hohe Konzentration innerhalb der Lebensmittelbranche moniert. Laut einem Sprecher des Bundeskartellamts besteht daher auch die Absicht, den geplanten Aufkauf sehr genau zu untersuchen. Das Prüfverfahren werde voraussichtlich vier Monate dauern. Für eine Zustimmung seitens des Kartellamts sei entscheidend, ob Konsumenten in ihrer Umgebung genügend Einkaufsmöglichkeiten unterschiedlicher Unternehmen hätten. In der Stadt München dürfte das weitgehend gewährleistet sein, nicht aber überall im Umland.

Branchenanalyst Joachim Stumpf vermutet, dass Edeka daher die Auflage erhalten wird, einige der Tengelmann-Filialen an die Konkurrenz zu verkaufen. Nämlich jene, die in ihrem näheren Umkreis bislang nur Edeka-Märkte als Konkurrenz hatten. Ein Beispiel sind laut Stumpf die Ortschaften Krailling und Stockdorf westlich von München. Dort stehen momentan zwei Tengelmann-Märkte in Konkurrenz zu einem Edeka. In Zukunft hätten die Bürger also nur noch einen Konzern, von dem sie ihre Lebensmittel beziehen könnten. Genau das möchte das Kartellamt verhindern.

Keine Angabe machen wollte das Bundeskartellamt zum Radius, in dem verschiedene Supermärkte zu finden sein müssen. Nimmt man im obigen Beispiel noch die dritte benachbarte Ortschaft Planegg hinzu, stünde nämlich wieder ein Rewe zur Verfügung. Je enger die Prüfer den Radius ziehen werden, desto mehr Märkte könnte Edeka gar nicht erst übernehmen.

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Quelle:
SZ vom 14.10.2014
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