Süddeutsche Zeitung

Nachhaltigkeit am Starnberger See:Wie der B2-Tunnel zum Energieversorger werden könnte

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Die Starnberger Expertin Karin Wurzbacher wirbt darum, aus umgeleiteten Grundwasserströmen Wärme- und Kälteenergie für bis zu 1000 Haushalte zu gewinnen.

Von Peter Haacke, Starnberg

Der Stagenda-Arbeitskreis "Energie und Klimaschutz" hat die Debatte um den Starnberger B2-Tunnel um eine faszinierende Komponente bereichert: Aus den umgeleiteten Grundwasserströmen ließe sich Wärme- oder Kälteenergie für bis zu 1000 moderne Einfamilienhäuser erzeugen, sagte Karin Wurzbacher. Die Starnberger Expertin für Umweltfragen präsentierte den Stadträten jüngst im Ausschuss für Umwelt, Energie und Mobilität eine Möglichkeit, den Tunnel auch zur nachhaltigen Energiegewinnung zu nutzen. Der technische Schlüssel hierfür liegt in einem der insgesamt fünf geplanten Dükerbauwerke, die das Grundwasser um den Tunnel führen.

Bereits 2014 hatte der Arbeitskreis erstmals über Verfahrenstechniken zur Nutzung von Geothermie in Tunnelbauwerken berichtet. Es sollte geklärt werden, ob beim B2-Tunnel eine geothermische Nutzung machbar wäre. Nach Rücksprache mit Fachleuten von der Technischen Universität München am Lehrstuhl für Hydrogeologie kann diese Frage nun uneingeschränkt bejaht werden. Grundsätzlich gebe es dabei drei Möglichkeiten, erklärte Wurzbacher: Der Einsatz von Adsorbertechnik an den Tübbingen - den riesigen Betonelementen des Tunnels -, die Nutzung von Erkundungsbohrlöchern oder Wärmetauscher an den Dükern. Laut Wurzbacher hat das Staatliche Bauamt Weilheim die Adsorbertechnik verworfen, weil die Tunnelbohrmaschine bereits bestellt sei; zur Energiegewinnung hätte man eine größere benötigt. Die Bohrungen hingegen seien nicht nutzbar, weil es sich überwiegend um Wassermessstellen handle. Der Düker am Almeidaweg in 40 Meter Tiefe aber stelle eine hervorragende Möglichkeit zur Energiegewinnung dar: "Wir könnten das in Starnberg sehr gut machen", sagte Wurzbacher, "man sollte diese Möglichkeit prüfen."

Die Bedingungen für eine thermische Nutzung des Grundwassers sind in Starnberg demnach hervorragend. Durch den ovalen Düker mit einem Durchmesser von elf bis 13 Metern fließen unter der Tunnelröhre 100 bis 300 Liter Wasser pro Sekunde. Beim Bau des Tunnels könnten bereits Saug- und Rückspeiserohre als Option für eine spätere energetische Nutzung installiert werden. Hinzu käme eine Verteilstation an der Oberfläche. Das System besteht aus Wärmepumpen, Reglern und einem Leitungsnetz.

"Es ist eine Option auf die Zukunft", sagte Wurzbacher, die auf eine Empfehlung der Technischen Universität verweist. Für den späteren Betrieb wäre lediglich Strom für die Pumpe erforderlich. In München haben die Stadtwerke mit dieser Technik bereits gute Erfahrungen gemacht: Aus zehn Dükern, die das Grundwasser um die U-Bahn-Tunnel herumleiten, wird Fernkälte für das BMW-Forschungszentrum produziert. Dies spare nach Angaben des Energieversorgers jährlich rund zehn Millionen Kilowattstunden. In Starnberg sind die Voraussetzungen wesentlich besser: Diese Energiemenge würde allein der Düker am Almeidaweg produzieren.

Die Verantwortlichen im Staatlichen Bauamt stehen der Idee einer Energiegewinnung durch den Tunnel aufgeschlossen gegenüber. Die Behörde ist bereit, "sich mit der Stadt Starnberg bezüglich der Integration einer baulichen Ergänzung abzustimmen", teilte Pressesprecher Michael Meister mit. Allerdings sei die weitere Umsetzung dann alleinige Angelegenheit der Stadt. Laut Wurzbacher könnten Wohneinheiten bis in 4,5 Kilometer Entfernung mit Wärme versorgt werden - und damit auch das Neubaugebiet "Am Wiesengrund". Allerdings müsste auch noch ein Betreiber gefunden werden, zumal die Stadt Starnberg keine eigenen Stadtwerke hat.

Im Gremium kam die Idee bestens an. Stefan Frey (CSU) findet "die innovative Idee sehr gut", Martina Neubauer (Grüne) lobte vor allem die Hartnäckigkeit Wurzbachers für "eine großartige Geschichte". Und selbst Klaus Huber (WPS), bekennender Tunnelgegner, fand Gefallen an der Idee. Das Gremium beschloss einhellig, für 7000 Euro eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben.

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SZ vom 26.10.2019
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