Süddeutsche Zeitung

Coronavirus-Krise:"Ich kann noch einen Monat überbrücken"

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Kinobetreiber Matthias Helwig spricht über die Konsequenzen aus der angeordneten Schließung seiner Breitwand-Filmtheater in Gauting, Starnberg und Seefeld.

Interview von Gerhard Summer, Starnberg

Viele andere Lichtspielhäuser vermelden im Internet prosaisch die Schließung. Matthias Helwig formuliert es auf der Homepage seiner Breitwand-Kinos in Starnberg, Gauting und Seefeld anders: "Wir kommen zurück mit großem Kino", steht auf seiner Seite in blauunterlegten weißen Lettern zu lesen. Der Kinochef, der im Februar 60 geworden ist, nennt auch ein voraussichtliches Datum für den Neustart: "Am 20. April sind wir vermutlich wieder da." Ein Gespräch über finanzielle Turbulenzen, Hoffnung und die Frage, wie es mit den Filmtheatern weitergehen soll.

SZ: Herr Helwig, wie ist die Situation in Ihren Kinos und Ihrem Lokal Tati im Filmtheater Gauting?

Matthias Helwig: Die Kinos sind seit Dienstag geschlossen, die Gastronomie im Tati macht von diesem Mittwoch an zu. Als letzter Film lief "Für Sama", eine sehr gute Doku über den syrischen Bürgerkrieg.

Die Corona-Krise entzieht Ihnen komplett die Existenzgrundlage?

Ja, natürlich. Gestern hat mir ein lieber Kinokunde gesagt: Derzeit fahren alle auf Sicht. Das ist wahr: Das ist eine Situation, die noch nie da war, deshalb weiß auch keiner, wie es weitergehen soll. In meinem Geschäft ist es schwierig, ich bin nur Mittler zwischen Verleihern, Produzenten und Publikum. Und natürlich wissen die Verleiher auch nicht, wann sie ihre Filme wieder starten können. Inzwischen sind ja auch die Filmproduktionen eingestellt, wobei diese Welle erst später in den Kinos ankommen wird. Im Moment ist es so: Die Verleiher wissen nicht, wann sie die Filme wieder starten sollen. Das heißt: Wenn die Kinos wieder aufmachen, stehen wahrscheinlich nur alte Filme zur Verfügung und keine neuen Produktionen. Die Verleiher können in der jetzigen Situation ja keine Termine setzen. Das ist alles sehr kompliziert.

Was tun Sie jetzt?

Ich kann nur abwarten. Mein Hauptgedanke gilt meinem eigenen Personal.

Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie?

Es sind 40. Wir gehen halt jetzt in Kurzarbeit, dann werden wir sehen.

Was heißt das konkret?

Das muss ich auch erst einmal nachschauen. Kurzarbeit bedeutet, dass eine Firma nicht genug Arbeit hat für ihre Leute. Der Staat übernimmt dann einen Teil der Kosten.

Wie kommen Sie überhaupt finanziell über die Runden?

Ich zahle jetzt, um Zutrauen zu geben, die Gehälter für März, ich will auch dieser Panik keinen Vorschub leisten. Dann muss man schauen. Es geht ja nicht nur um die Löhne, sondern auch um die anderen Belastungen im fünfstelligen Bereich: die Mieten für die Kinos und die Raten für den Kredit, den ich für mein eigenes Gautinger Kino aufgenommen habe.

Wie lange halten Sie das durch?

Ich denke, dass ich einen Monat schon überbrücken kann, wir mussten ja auch bisher schon schlechte Kinomonate verkraften. Trotzdem ist das jetzt eine ganz schwierige Zeit, wir müssen schlicht abwarten, wie lange das dauert. Das Problem ist: Wir können alle keine Prognose stellen, da ist so viel Dynamik im Gange, dass keiner weiß, was in ein, zwei oder vier Wochen sein wird.

Viele Virologen rechnen damit, dass der Höhepunkt der Infektionen mit dem Coronavirus erst im Sommer erreicht sein wird. Wenn das so wäre, stünde doch auch ihr Fünfseen-Filmfestival im September auf der Kippe.

Das sehe ich nicht so. Ich glaube, dass sich so viel entwickeln wird, dass es am Ende nicht um den Coronavirus im Sommer geht.

Wie meinen Sie das?

Ich denke, dass die Coronakrise sechs bis zehn Wochen dauert, also spätestens bis Mai, Anfang Juni. Was bedeuten würde: Das Kino-Open-Air im Juli in Starnberg und am Wörthsee könnte genauso wie das Fünfseen-Festival im September stattfinden.

Sie sind Optimist.

Richtig. Ich denke, das ist jetzt wichtig.

Was machen Sie und Ihr Team in der Zwangspause?

Wir machen das, was alle machen: Wir sind daheim. Ich werde bis Freitag Dinge, die angefallen sind, erledigen: aufräumen, irgendwas ordnen, Lager putzen, Plakate sortieren, Dinge, die im Geschäft einfach anfallen. Und ich mache jetzt noch die Lohnbuchhaltung. Dann warten wir ab, und sobald wir wissen, dass wir wieder aufmachen dürfen, kommt das Team zusammen und versucht, den Neustart zu organisieren. Wir haben bis 19. April zu, das heißt, wir treffen uns am Dienstag nach Ostern und besprechen, wie es weitergeht.

Sie rechnen also nicht damit, dass das Kino über die Wupper geht.

Im Moment nein, aber wenn das Ganze ewig dauert, dann geht nicht nur das Kino über die Wupper. Es kann natürlich auch sein, dass wir mit dem Coronavirus vielleicht leben müssen.

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Quelle:
SZ vom 18.03.2020
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