Süddeutsche Zeitung

Freizeit:"Ein Doppel-Wumms für die Seele"

Lesezeit: 3 min

Andrea und Harald Hesse stellen in ihrem neuen Buch 15 Radtouren durch das Fünfseenland vor. Dabei geht es vor allem um den Genuss - landschaftlich und kulinarisch.

Von Carolin Fries, Starnberg

Andrea und Harald Hesse fahren gerne Rad. Sie wollen dabei keine Rekorde brechen, weder bei den Kilometern noch bei der Geschwindigkeit. Das Münchner Ehepaar, sie 64 und er 62 Jahre alt, will manchmal einfach raus in die Natur und sich erholen. Für alle, die ihre Freizeitgestaltung ebenfalls eher gemütlich angehen, haben die beiden jetzt in einem Buch 15 Wohlfühltouren durch das Fünfseenland zusammengestellt. "Radeln für die Seele" (Droste-Verlag) lautet der Titel. Er richtet sich an eine inzwischen von Rennrad, Gravel- und Elektrobike-Fahrern nahezu verdrängte Spezies: den gewöhnlichen Freizeitradler.

Es geht schon damit los, dass die Touren in eineinhalb bis drei Stunden zu schaffen sind, man kann also erst ausschlafen und sich dann in den Sattel schwingen. Man braucht auch keine herausragenden konditionellen Voraussetzungen erfüllen. "Klar, es geht auch mal bergauf und man kommt ins Schwitzen", sagt Harald Hesse. Doch dann dauere es eben mal länger. Zu guter Letzt bedarf es keiner exquisiten Ausrüstung: "Wir nehmen immer unsere ganz normalen Stadträder", sagt Andrea Hesse.

Statt mit hautengem, atmungsaktivem Sportdress sind die beiden in der Regel in kurzen Jeans und T-Shirt unterwegs - warm strampeln sie sich eh ohne E-Antrieb. "Wir sind regelmäßig angesprochen worden, weil wir noch ganz normal mit dem Rad unterwegs sind", erzählt Harald Hesse und muss schmunzeln.

Vor 40 Jahren zogen die beiden Westfalen nach Bayern, Andrea Hesse wollte hier als Lehrerin arbeiten. Doch dann landete sie bei einem Verlag und arbeitete als Journalistin. "Ich fuhr meiner Liebe hinterher", ergänzt Harald Hesse und meint es wörtlich. Die beiden lernten sich einst in Münster im Taxi kennen, er war damals Student und der Fahrer. Auch er fand als Redakteur in der Unterhaltungsbranche eine Stelle in München, vor sieben Jahren machte er sich sich schließlich als Autor selbständig.

Harald Hesse wollte Freizeitbücher über die Region schreiben, eine befreundete Autorin hatte ihn für einen Verlag angeworben. Andrea Hesse machte mit, wenngleich sie als Realschullehrerin - irgendwann erfüllte sich der Traum doch noch - weniger Zeit hatte. "Ich war immer das Fotomotiv", erzählt sie. Vor dreieineinhalb Jahren stieg sie schließlich auch aus dem Job aus. Von da an widmeten sich die Hesses schließlich ganz und gar ihren Freizeitbüchern. Zehn Bücher und vier Quizspiele zu ausgewählten Regionen gibt es von ihnen. Sie wandern, durchradeln und entdecken München, das Altmühltal, den Chiemgau, das Allgäu, Sylt und das Fünfseenland.

Mit ihren beiden Kindern haben sie einst begonnen, raus an Ammersee und Starnberger See zu fahren. Inzwischen sind sie zu zweit unterwegs. Meist mit Radtaschen für die Fotoausrüstung von Harald Hesse und ein Picknick. "Doch wir kehren auch gerne ein", sagt er. Entsprechend beinhaltet das Buch auch feine Fisch-Restaurants, Biergärten oder auch mal nur einen Imbiss mit überraschend guten hessischen Bratwürsten. "Wer radelt, muss auch essen", lautet ihr Credo.

Die Hesses haben ihre Touren in "Auszeittouren" durch herrliche Landschaften, "Entschleunigungstouren" an besinnliche Orte und "Erfrischungstouren" an Seen oder entlang von Flüssen und Bächen unterteilt. "Wir haben natürlich immer doppelt so lange wie angegeben gebraucht", sagt Andrea Hesse, "wegen der Fotos" - und weil sie auf so viele interessante Menschen trafen.

In Herrsching zum Beispiel fanden sie eine Privatrösterei, in Berg den Assenhauserhof mit einer Bio-Käserei, in Münsing schleckten sie ein Eis am Loriot-Denkmal. In ihren Tour-Beschreibungen geht es aber nicht nur um Landschaft und Essen, sondern auch um Kulturgeschichte und Historie oder Besonderheiten in Flora und Fauna. "Man versteht, was man sieht, wenn man weiß, was man sieht", sagt Harald Hesse. Als Beispiel führt er denkmalgeschützte Bauernhöfe, das Geburtshaus von Oskar Maria Graf oder versteckte Biotope an.

Ihre Lieblingstour aus dem Buch ist Nummer 13, die sogenannte Literatur-Runde im Osten des Starnberger Sees. Harald Hesse gerät beim Erzählen ins Schwärmen von Kapellen und Kirchen, einer fantastischen Lindenallee, alten Bauernhäusern - und nur 200 Höhenmetern. "Wenn man abends leicht erschöpft die Bilder wieder hervorruft, dann ist das ein Doppel-Wumms für die Seele", sagt er.

Passionierte Radfahrer kennen die Strecken natürlich, doch: "Wir hören auch von Bekannten aus dem Fünfseenland, dass sie mit dem Buch was Neues entdeckt haben", sagt Andrea Hesse. "Eigentlich ist es ein klassisches Geschenk-Buch."

Die Hesses haben bereits ein neues Projekt abgeschlossen. Bald wird es auch 15 Radtouren durch den Chiemgau von ihnen geben. "Das ist aber unser letztes Buch", sagt Andrea Hesse. Zu aufwendig sei es, stets die richtigen Radltage zwischen Hitze und Regen zu finden. Sie werden sich künftig also wieder ausschließlich privat die Wanderschuhe anziehen oder die Satteltaschen packen. Gut möglich, dass man sie auch mal im Fünfseenland trifft. Unmotorisiert natürlich.

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