Süddeutsche Zeitung

Infizierte in Bayern:Dieser Arzt jagt das Coronavirus

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Lorenz Schröfl war einer der ersten Mediziner in Europa, der Kontakt zum Coronavirus hatte. Seit vergangener Woche versucht er, Menschen ausfindig zu machen, die engen Umgang mit Infizierten hatten.

Von Carolin Fries, Starnberg

Die Schweinegrippe hat ihn beschäftigt und die Vogelgrippe, jetzt bekämpft Lorenz Schröfl das Coronavirus. Der Leiter des Starnberger Gesundheitsamts war einer der ersten Mediziner in Europa, der in der vergangenen Woche Kontakt mit dem neuen Erreger hatte und Mitarbeiter bei Webasto in Stockdorf untersuchte. Wie er die Menschen erlebt hat, die als mögliche Infizierte für eine Testaktion einbestellt wurden? "Insgesamt ruhig, da sie gut informiert und aufgeklärt waren", sagt der 57-Jährige.

Seit der Diagnose der bundesweit ersten Infektion in Stockdorf hat er eine kleine Spezialeinheit geformt, die akribisch daran mitarbeitet, die Verbreitung des Virus 2019-nCoV zu stoppen. Bis zu acht Mitarbeiter betreuen und kontrollieren von hier aus die sogenannten Kontaktpersonen der Kategorie I im Landkreis Starnberg, insgesamt 40 Personen. Jeden Tag rufen sie die Betroffenen an, die für 14 Tage in häuslicher Isolation leben müssen und fragen, wie es diesen geht, ob Fieber aufgetreten ist oder andere Krankheitszeichen. Drei Stunden dauern alleine diese Gespräche. Zwischendurch werden all jene Anrufer aufgeklärt und besänftigt, die sich telefonisch an die Behörde wenden - im Schnitt täglich 250. Legt man diese Zahl auf die Öffnungszeiten um, dann klingelt alle zwei Minuten das Telefon. Um die 150 anderen Menschen, die in Bayern ihre Wohnung nicht verlassen dürfen, kümmern sich die Gesundheitsämter in den benachbarten Landkreisen.

Insgesamt zwölf Menschen haben sich binnen der vergangenen elf Tage in Bayern mit dem Virus angesteckt, darunter ein 40 Jahre alter Mann aus dem Landkreis Starnberg. Am Donnerstag wurde bekannt, dass auch die Frau des 38 Jahre alten Mannes aus Siegsdorf im Landkreis Traunstein, der bereits zwei seiner drei Kinder angesteckt hat, positiv getestet wurde. Und auch beim ersten Coronavirus-Fall auf der Kanareninsel La Gomera, den die örtlichen Behörden am Samstag meldeten, handelt es sich um einen Mann aus dem Freistaat. Der 26-Jährige aus dem Landkreis Landsberg am Lech hatte vor seiner Flugreise Kontakt zu einem Webasto-Mitarbeiter.

Die Zentrale des Autozulieferers in Stockdorf ist Ausgangspunkt der Übertragungen des Virus, nachdem eine infizierte Chinesin Ende Januar drei Tage lang an Workshops teilnahm. Von 143 Webasto-Mitarbeitern hat Schröfl zusammen mit drei Mitarbeitern des Gesundheitsamtes und Mitarbeitern der Taskforce Infektiologie des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in der vergangenen Woche Abstriche genommen - zwei waren allein hier positiv. Alle Ärzte, die Proben genommen haben, trugen einen Gesichtsschutz für Mund und Augen, Kittel und Handschuhe, um sich selbst vor einer möglichen Infektion zu schützen.

Aus dem Landkreis Starnberg wurde bislang nur ein Mann positiv getestet. Der 40-Jährige wird im Münchner Klinikum Schwabing isoliert, nach Aussage der Ärzte geht es ihm gut. Anders als der Mann aus Siegsdorf wurde dieser nicht von Menschen in weißen Schutzanzügen abgeholt. Er habe den Test am Institut für Tropenmedizin in München gemacht und dort auf das Ergebnis gewartet, berichtet ein Sprecher der Kreisbehörde. Als dieses vorlag, sei es mit dem Krankenwagen direkt ins Krankenhaus nach Schwabing gegangen. Neben Starnberg kommen die Erkrankten im Alter zwischen 27 und 58 Jahren aus den Landkreisen Landsberg, Fürstenfeldbruck, Traunstein, der Stadt München und dem Landkreis München.

Die jeweiligen Gesundheitsämter definieren die Auflagen für die häusliche Isolation anhand der "individuellen Situation", Grundlage ist eine Richtlinie des Robert-Koch-Instituts. Darin wird auch eine zeitliche und räumliche Trennung von anderen Haushaltsmitgliedern etwa beim Essen empfohlen. Betroffene aus dem Landkreis Starnberg müssen jedoch lediglich Kontakte vermeiden, insbesondere nach außen. Die Anordnung ergeht per Bescheid. Im Bedarfsfall könnten die Maßnahmen angepasst werden, heißt es beim LGL.

Schröfl hetzt dieser Tage von einem Termin zum anderen, vom Gesundheitsministerium zu Webasto und wieder zurück nach Starnberg. Das Ministerium kennt er noch von früher, als er hier als Referent am Pandemie-Plan mitgeschrieben hat. Das war die Zeit, als vor der Vogelgrippe gewarnt wurde und ein Jahr später vor der Schweinegrippe. Jetzt ist es das Coronavirus, das ihn rund um die Uhr beschäftigt. Ob er glaubt, dass es gelingen wird, die Infektkette zu unterbrechen? "Es wird alles getan", sagt er nur. Er selbst habe sich bislang noch nicht auf das Virus testen lassen. "Warum auch?" Er fühle sich gesund.

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Quelle:
SZ vom 07.02.2020
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