Süddeutsche Zeitung

Artenschutz:Die Kröten wandern - und wieder entflammt der Streit um Tunnels in Weßling

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An der Umfahrung sind 2018 Amphibien qualvoll verendet. Nun bessert das Straßenbauamt nach - doch Tierschützer fürchten erneut um Frösche und Co.

Von Patrizia Steipe und David Costanzo, Weßling/Starnberg

Die Sonne ist vor einer Stunde untergegangen, die Temperatur fällt auf fünf Grad Celsius. Den ganzen Freitag hat es immer wieder geregnet - schönstes Wanderwetter für Kröten, Frösche und Molche. Ob die ersten schon aufgebrochen sind? Tierschützerin Daniela Brombach und eine Mitstreiterin machen sich gegen 20 Uhr auf zur Weßlinger Umfahrung, um die neuen Amphibienzählstellen des Staatlichen Bauamts zu prüfen. Und tatsächlich: Die Eimer sind voller Tiere. Sehr viele Frösche, einige Kröten, wenige Molche. Die Amphibien quaken und beschweren sich über die Falle, aus der sie am nächsten Morgen möglichst unversehrt befreit werden sollen.

Die Krötenwanderung im Landkreis hat begonnen. Nicht nur an der Weßlinger Umfahrung, auch in Wörthsee sind die Tiere seit dem Wochenende in großer Zahl unterwegs, meldet der Bund Naturschutz und bittet Autofahrer um Rücksicht - auch auf die Helfer, die den Amphibien über die Straße helfen. Und kaum hat der erste Molch seinen heimischen Tümpel hinter sich gelassen, um trockenen Fußes die Laichgewässer zu erreichen, entbrennt schon wieder Streit um die Weßlinger Umfahrung. Tierschützerin Brombach fürchtet, dass die vollen Eimer und das schmutzige Wasser in der Zählanlage zu tödlichen Fallen werden können. Das Staatliche Bauamt Weilheim weist die Kritik zurück.

Die Umgehungsstraße liegt mitten in einem Krötenwandergebiet. Darum wurde auf 1,8 Kilometern eine Amphibienschutzlange mit 42 Durchlässen eingebaut - Kosten: 800 000 Euro. Doch seit der Eröffnung Mitte 2017 verendeten viele Tiere an den für sie giftigen Belägen, Tunnels liefen voll Wasser, Frösche blieben am Beton kleben und vertrockneten qualvoll, schlug Daniela Brombach immer wieder Alarm.

In diesem Frühjahr bessert das Staatliche Bauamt nach. Derzeit laufen die letzten Arbeiten, gleichzeitig wird deren Erfolg getestet, "Akzeptanzkontrolle" nennen Experten das. Diese ist gesetzlich vorgeschrieben. Tierschützerin Brombach hat die Arbeiten genau beobachtet. Seit rund zwei Jahren fordert sie immer wieder Nachbesserungen an der Anlage, "jetzt werden sie hektisch erledigt, sozusagen auf die letzte Minute". Sie befürchtet aber, dass das laut Staatlichen Bauamt "in Fachkreisen anerkannte Methodenkonzept", mit dem die Akzeptanzanalyse vorgenommen werden soll, für die acht verschiedenen Amphibienpopulationen entlang der Umgehungsstraße ungünstig sein könnte. Um die Tiere zählen zu können, sollen sie an Fangzäunen entlang laufen und dann in Wassereimer fallen. Falls Kröten und Frösche in den selben Eimer fallen, könnte das tödliche Folgen für die Frösche haben: "Sie sterben durch die Hautabsonderungen der Kröten im Wasser, wenn sie nicht zeitnah herausgeholt werden." Brombach ärgert sich darum, dass die Kröten vom Freitagabend am Samstagmorgen immer noch im Eimer lagen. Gegen sieben Uhr seien die ersten der vier Mitarbeiter der beauftragten Firma erschienen, um die Tier zu registrieren, zu markieren und hinter dem Schutzzaun wieder in die Freiheit zu entlassen.

Ein weiteres Problem sei, dass das Eimerwasser schnell eintrübe. Molche könnten leicht übersehen werden, unter Massen anderer Tier begrabene Exemplare könnten verenden. Grundsätzlich lobt Brombach die Akzeptanzanalyse und die beauftragte Firma. Doch die Begutachtung hunderter Tiere in rund 200 Eimern entlang der fast zwei Kilometer langen Strecke sei für vier Personen zu aufwendig.

Das Staatliche Bauamt lässt die Kritik nicht gelten. Die Firma sei derzeit täglich vor Ort, auch um das Wasser zu wechseln. Der Einsatz am frühen Morgen sei sinnvoll, da am Abend noch nicht alle Tiere in die Behälter getappt seien. Volle Eimer seien dabei nichts Ungewöhnliches. In den nächsten Tagen dürften es wohl auch noch mehr Kröten, Frösche und Co. werden.

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Quelle:
SZ vom 05.03.2019
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