Süddeutsche Zeitung

Kommentar zur Maskenpflicht:Es krankt an der Begründung

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Erstklässler in Dießen dürfen den Mund-Nasen-Schutz am Platz abnehmen, Erstklässler in Herrsching nicht. Dass dies Fragen, Zweifel und Widerspruch von Eltern provozieren würde, war vorherzusehen

Von David Costanzo

Landrat Stefan Frey steckt in einer alles andere als beneidenswerten Situation. Er muss eine Vorschrift verteidigen, die er sich nicht ausgedacht hat. Die Maskenpflicht an Grundschulen hat die Staatsregierung verhängt, dabei aber so große Schlupflöcher hinterlassen, dass der Münchner Oberbürgermeister und manche von Freys Landratskollegen die Vorschrift kurzerhand einkassieren konnten, während Starnberg daran festhält. Erstklässler in Dießen dürfen also den Mund-Nasen-Schutz am Platz abnehmen, Erstklässler in Herrsching müssen ihn im Unterricht und auch im Hort anbehalten. Dass dies Fragen, Zweifel und Widerspruch von Eltern provozieren würde, war vorherzusehen.

Viele Kinder kommen mit der Maske so problemlos klar, dass Erwachsene sich an ihnen ein Beispiel nehmen sollten. Für manche kann das Tragen aber auch "beschwerlich" sein, wie der Landrat selbst einräumt. In jedem Fall muss ein so weitreichender Eingriff gut begründet sein, damit die Eltern die Notwendigkeit nachvollziehen und es ihren Kindern erklären können. Und daran krankt es. Am Mittwoch kommt nur eine schmallippige Erklärung des Landratsamts. Freys am Donnerstag via soziale Medien nachgeschobener Hinweis, dass auch Grundschulen vom Infektionsgeschehen betroffen seien, bleibt zu pauschal - vor allem, wenn seine Kollegen die Maskenpflicht aufheben, eben weil sich die Grundschulen nicht als Brutstätten erwiesen hätten. Macht denn das Virus an den Landkreisgrenzen halt? Diese Kleinstaaterei unterminiert das Vertrauen in den Infektionsschutz.

Weßling, Herrsching, Krailling und jetzt auch Gauting sowie Berg: Ja, es gab und gibt einzelne Fälle an Grundschulen im Landkreis, doch die taugen nach bisherigem Wissensstand weder als Rechtfertigung für noch gegen eine Maskenpflicht - auch, weil in Weßling und Krailling nicht Schüler, sondern Lehrer betroffen waren. Zudem sollen die Vorschriften ja gerade neue Infektionen verhindern.

Umso wichtiger, dass der Landrat die Entscheidung, die nun nicht mehr die der Staatsregierung, sondern seine eigene ist, erklärt. Dass er sich den Eltern stellt - dass die Eltern mit ihren Kindern reden und selbst ein gutes Beispiel geben. Denn die Pandemie wird den Landkreis noch lange beschäftigen.

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Quelle:
SZ vom 23.10.2020
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