Süddeutsche Zeitung

Fünfseen-Festival:Iris Berben füllt die Kinosäle

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Der Ehrengast des Filmfests nutzt das Gespräch am Samstag in Starnberg, um Werbung für die Lichtspielhäuser zu machen. Alle drei Vorstellungen von Filmen mit ihr sind ausverkauft.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

In Zeiten, in denen eine 74-jährige Frau ihr eigenes Enkelkind zur Welt bringen kann, ist vieles machbar. Warum sollte Luise (Iris Berben), die stets ihre Karriere als Molekularbiologen über ihr Privatleben gestellt hat, also nicht mit 60 Jahren Mutter werden? "Tief im Inneren wird man nie älter als 18", sagt sie sich. Da sie als 40-Jährige ihre Eizellen einfrieren ließ, die zufällig auch erhalten geblieben sind, steht einer Schwangerschaft ihrer Meinung nach nichts mehr im Weg. Während sich der gleichaltrige Galerist Frans Winter (Edgar Selge) ein Baby mit seiner 26-jährigen Freundin (Jördis Richter) durchaus vorstellen könnte, hat er ein Problem mit Luises Kinderwunsch. Das findet er absolut unnatürlich. Hinzu kommt, dass sich Luise als Samenspender ausgerechnet Winters Sohn Max (Björn von der Wellen) ausgesucht hat. "Warum dürfen Männer mit 60 Vater werden, aber nicht Frauen mit 60 Mutter?", fragt sich Luise, die ihr ganzes Leben lang immer die Intelligenteste sein wollte. Sie verfolgt ihre Vorstellungen zielstrebig, trotz aller Widerstände. Die Geschichte geht- wie sollte es in einer Komödie anders sein - natürlich gut aus. Zwar habe sie sich immer gewünscht, ein eigenes Kind im Arm zu halten, aber vielleicht genüge ja auch ein Hund, meint Luise am Ende pragmatisch.

Mit der Komödie "Miss Sixty" haben Regisseurin Sigrid Hoerner und Drehbuchautorin Jane Ainscough einen turbulenten und amüsanten Film geschaffen, der auch acht Jahre nach seinem Erscheinen höchst aktuell ist. Und gerade deshalb hat ihn Iris Berben für das Fünfseen-Filmfestival ausgesucht. Als Ehrengast durfte sich die Schauspielerin wünschen, welche Filme mit ihr in der Hauptrolle gezeigt werden. Obwohl derzeit gerade vier neue Produktionen "in der Pipeline" seien, habe sie bewusst mit "Es kommt der Tag", "Frau Rettich, die Czerni und ich" und "Miss Sixty" bis zu 20 Jahre alte Filme ausgewählt, erklärt sie in einem Interview am Samstagnachmittag im Hotel Kaiserin Elisabeth in Feldafing sowie am Abend im Filmgespräch im Breitwandkino Starnberg. "Ich liebe ernste Themen, die nicht mit dem deutschen Zeigefinger, sondern mit Leichtigkeit behandelt werden", sagt sie. Ihre Auswahl war offenbar goldrichtig: Alle Vorstellungen in Starnberg und Seefeld seien ausverkauft gewesen, so Festivalsprecher Dominik Petzold.

Ihre langjährige Freundin Carmen-Maja Antoni, die in dem Film ihre Mutter spielt, habe sich ebenfalls gewünscht, dass "Miss Sixty" wieder einmal gezeigt werden sollte, so Berben im Filmgespräch. Ihr zufolge waren künstliche Befruchtung und Schwangerschaft im Alter vor acht Jahren in der Gesellschaft noch gar nicht angekommen. Heute allerdings sei das Thema aktuell, da Frauen Karriere und Familie anders planen würden. Tatsächlich wurde die Thematik des Films spätestens dann von der Realität eingeholt, als Apple und Facebook ihren Mitarbeiterinnen anboten, die Kosten für Sozial Freezing, also dem Einfrieren von Eizellen, zu übernehmen.

Iris Berben spielt die Rolle der hochqualifizierten Wissenschaftlerin, die vorzeitig in den Ruhestand geschickt wird, aber sich einen Lebensabend mit Quizshows im Fernsehen und Kreuzfahrten zusammen mit ihrer Mutter nicht vorstellen kann, so glaubwürdig, dass man das Gefühl hat, sie spiele sich selbst. Im richtigen Leben habe sie für sich selbst entschieden, schon in jungen Jahren Mutter zu werden. Wie sie einräumt, hatte sie in den 1960-er und 70-er Jahren einen großen Freiheitsdrang und schlug ordentlich über die Stränge. "Es gab die, die mitgemacht, und die, die zugeschaut haben. Ich habe mitgemacht."

Iris Berben kann sich ihre Rollen aussuchen. Ihr Kalender sei voll, sagt sie. Differenzierte, vielschichtige Charaktere, wie die der Luise, liegen ihr. Auch mit dem Beruf im Alter setzt sich Berben, der man ihre mehr als 70 Jahre nicht ansieht, persönlich auseinander. "Ich liebe wirklich meinen Beruf, und so lange es aus vollen Kräften möglich ist, es zu tun, werde ich es nicht lassen", meint sie. Oma-Rollen lehne sie ab. Sie gehe keine Kompromisse ein und lasse sich nicht festlegen. Nachwuchsschauspielern rät sie, offen zu bleiben und die Messlatte anderer nicht so zu beherzigen wie die eigene. Wie sie allerdings einräumt, war auch sie als erfolgsverwöhnte, vielfach ausgezeichnete Schauspielerin zuweilen unsicher, da sie keine entsprechende Ausbildung absolviert habe. Kraft hätten ihr ihre Auszeichnungen gegeben, die Kollegen und das Publikum. "Ich habe viele Jahre gedacht, ich habe mich durchgemogelt", sagt sie. Ihre Schauspielschule sei es, Menschen genau zu beobachten und ihnen zuzuhören.

Das Filmgespräch nutzt Iris Berben, die erstmals beim Festival zu Gast ist, um für das Kino zu werben. Man müsse das Kino neu erfinden, ansonsten würden sich die Menschen die Filme nach Hause auf den Flatscreen holen. "Das Fünfseen-Festival ist eine Kulisse, die man nutzen kann, um darüber zu diskutieren", findet sie. Und: Es sei schön, in einer schönen Gegend schöne Dinge zu tun. "Ich finde dieses Festival ganz besonders, wegen seiner schönen Natur abseits der Großstadt und wegen seines Festival-Leiters (Matthias Helwig), der selbst das Kino-Leben lebt."

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