Süddeutsche Zeitung

Gilching:Wir Facebook-Mitarbeiter

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Der Polizist Cem Karakaya klärt Schüler des Gymnasiums über die Gefahren des Internets auf.

Anna Maria Landgraf

- Natürlich haben fast alle Schüler im Saal des Christoph-Probst-Gymnasiums Smartphones. Und natürlich sind fast alle Schüler im Saal bei Facebook. Dennoch gehen die meisten Jugendlichen mit den neuen Medien zu leichtfertig um: Zum Beispiel haben sich schon 26 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland einmal mit einer Internetbekanntschaft verabredet, obwohl sie diese noch nie wirklich gesehen haben - in drei Prozent der Fälle kam es zur Belästigung.

Über Fakten wie diese referierte am Christoph-Probst-Gymnasium Cem Karakaya, der seit 2003 bei der deutschen Polizei tätig ist und dort unter anderem Internetkriminalität und neue Medien zu seinen Fachgebieten zählt. Die Informationsveranstaltung zum Thema "Neue Medien" war Teil des Konzepts des Gymnasiums zur Medienerziehung, das sogenannte "www&ich".

"Der wichtigste Bereich, auf dem man achten muss, ist das Hinterlegen von persönlichen Daten", sagt Karakaya. Soziale Netzwerke wie Facebook speichern die Daten der User massenweise: Es gibt über eine Milliarde Mitglieder bei Facebook, monatlich werden drei Milliarden Bilder hochgeladen - dabei wissen die meisten nicht, dass die Fotos, die sie auf die Seite stellen, rechtlich nicht mehr ihnen gehören. Facebook verkaufe die Fotos an Werbeagenturen. "Das steht alles in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, die aber so lang und kompliziert sind, dass sie niemand ernsthaft durchliest", sagt Karakaya. Wer im Saal beschäftige sich denn wirklich damit? Bei dieser Frage bleiben alle Hände unten - fast jedem geht es so, und deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass so manch einer überrascht wäre, sein selbst geschossenes Foto irgendwo auf einem Werbebanner zu sehen.

Doch nicht nur Fotos werden zu Geld gemacht: Ein Gefällt-mir-Klick bringt Facebook zwei bis acht Cent ein - bei über eine Milliarde Mitglieder summiert sich das schnell. So werden die Interessen der Nutzer ausgespäht und erscheinen in Form von Werbung am Bildschirmrand. Klar, dass sich damit viel Geld verdienen lässt. "Anstatt Facebook-Mitglieder würde ich die Nutzer eher als Facebook-Mitarbeiter bezeichnen", meint Karakaya.

Was zurzeit immer häufiger ins Gespräch kommt, ist der Begriff "Cybermobbing". An sich ist es keine Straftat, aber da Mobbing auch Bedrohungen, Beleidigungen, Nachstellungen, üble Nachrede und Ähnliches beinhaltet - was alles strafbar ist -, macht sich der Täter oft für mindestens zehn Taten schuldig. Dass Cyber-Mobbing in manchen Fällen auch tödlich enden kann, wurde vor wenigen Wochen durch den Selbstmord der 15-jährigen Amanda Todd deutlich. Die Kanadierin nahm sich Anfang Oktober das Leben, da der psychische Druck, unter dem sie durch die Attacken ihrer Mitschüler litt, zu groß wurde. Auslöser dafür war ein Nacktfoto von ihr, das im Netz kursierte.

Im Internet gilt grundsätzlich: nachdenken, bevor man etwas von sich preisgibt. Könnte dieser Post beziehungsweise dieses Bild später zum Problem werden? Wenn die Datei einmal hochgeladen wurde, ist es nämlich nicht mehr so einfach, sie endgültig aus dem Netz zu entfernen. "Einmal im Internet, immer im Internet", sagt Karakaya.

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Quelle:
SZ vom 27.11.2012
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