Süddeutsche Zeitung

Filmschauspieler Max Simonischek:Mit der Achterbahn zum Marienplatz

Lesezeit: 4 min

In seiner Zeit an den Kammerspielen wurde Max Simonischek mit der Stadt München nicht glücklich. Aber als Titel-Kommissar der Serie "Laim" hat er die Stadt ganz neu für sich entdeckt.

Von Rüdiger Sturm, München

Vor rund zehn Jahren absolvierte Max Simonischek immer wieder deprimierende Trambahnfahrten durch München: "Ich war an den Prinzregentenplatz gezogen und musste zur Arbeit in die Maximilianstraße - zwei relativ tote Orte, zwischen denen dir die Gucci-Stores um die Ohren fliegen." 2011 war der Schauspieler von Berlin an die Kammerspiele gegangen, wo er ein dreijähriges Engagement antrat, das er im Nachhinein bereuen sollte - auch wegen des frustrierenden Umfelds. "Ich stand mit München auf Kriegsfuß", sagt er offen.

"Im dunkelgrauen Licht ist diese schöne Stadt viel spannender."

Doch inzwischen hat sich der heute 39-Jährige mit der bayerischen Landeshauptstadt ausgesöhnt, und der Grund dafür ist erneut am 29. August (um 20.15 Uhr im ZDF) zu sehen. In der Krimireihe "Laim" spielt er einen wortkargen Münchner Kommissar vom Typus Einsamer Wolf, der mit seinen Ansichten und Methoden immer wieder bei seinen Vorgesetzten aneckt. Hier werden nicht die glorreichen Seiten der Stadt gezeigt - falls doch, dann tragen sie die Patina des Verbrechens. Etwa in der 2021er Folge "Der letzte Schuldige", in der ein pädophiler Opernsänger auf den Stufen des Nationaltheaters erschossen wurde. "Wir versuchen auch im Zeitraum November bis Januar zu drehen, weil das ein anderes Bild als der heiße, saftige Sommer ergibt. Nicht nur die Orte an sich sind entscheidend, sondern auch wie man sie erzählt. Abgesehen davon wollen wir keine heile Welt darstellen, sondern Konflikte. Und diese schöne Stadt im dunkelgrauen Licht ist nun mal viel spannender. Das Negative wird positiv."

Sinnigerweise spürt der aus einer wohlhabenden Familie mit Nazi-Verstrickungen stammende Laim eine ähnliche Distanz zur Schickeria wie seinerzeit Simonischek zur Prunk-Achse Bogenhausen-Maximilianstraße. Gerade weil der Schauspieler, der im deutschen Fernsehen mit "Hindenburg" seinen Durchbruch feierte, sich nach eigenem Bekunden zu Außenseitern hingezogen fühlt, passt die Figur des Ermittlers ideal zu ihm. Seine Vorlieben spiegeln sich auch in der intensiven Beschäftigung mit Kafka - etwa in dem gefeierten Ein-Mann-Stück "Der Bau" oder seiner ersten Theaterregiearbeit "Kafka Umira", die dieses Jahr in Innsbruck Premiere hatte.

Die falschen Versprechen der Theatermacher

Dass er damals so sehr mit München fremdelte, hatte auch noch andere Gründe als die falsche Wohngegend. Man hatte ihn damals von Berlin, wo er unter anderem am Maxim-Gorki-Theater gespielt hatte, mit der Zusage an die Kammerspiele gelockt, dass er dort mit seinem Wunschregisseur arbeiten könnte. Aber das erwies sich als leeres Versprechen, selbst wenn er speziell im dritten Jahr noch größere Rollen spielte. So war er heilfroh, nach drei Jahren nach Berlin zurückzukehren.

Immerhin, eine Ankündigung machte die Intendanz wahr (damals war Johan Simons an deren Spitze), und das wiederum sorgte damals für den einzigen echten Lichtblick: Der begeisterte Freizeit-Fußballer erhielt zwei Dauerkarten für die Spiele des FC Bayern. Auf diese Weise erlebte er die ruhmreiche Champions-League-Saison 2012/2013 unter Jupp Heynckes und das Anfangsjahr von Pep Guardiola mit: "Ich bin ein Fan des Spiels an sich, und wenn man das mag, muss man Bayern München mögen, weil die das hervorragend beherrschen. Das muss man objektiv so sagen."

Diese Dauerkarten vermisst Simonischek aus jener Zeit am meisten: "Ich habe alles gegeben, um sie auch nach Ende des Engagements behalten zu können, aber das hat nichts gefruchtet."

Selbst wenn ihm die Türen in die Allianz-Arena nicht mehr automatisch offenstehen, genießt er jetzt München dank der "Laim"-Erfahrung viel mehr. Abgesehen von der kreativen Befriedigung liegt das auch an den Menschen: "Bei 'Laim' arbeite ich mit einer Münchner Clique, die die Stadt seit langem, auch aus wilden Zeiten kennen." Dazu gehört auch "Laim"-Stammregisseur Michael Schneider, der die Reihe mit konzipierte. Nach Drehschluss trifft sich das Team immer wieder am Beleuchter-Wagen, wo "das Bier am besten" schmeckt. "Wir sind eine richtige Familie geworden", resümiert Simonischek. Ein weiterer Sammelpunkt ist das "Café Sax" im Glockenbachviertel, das für die "Laim"-Crew zu einer inoffiziellen Kantine geworden ist: "Das hat ein bisschen das Flair des früheren Münchens, weil da noch viele Alt-68er herumhängen. Das Bier ist gut, die Leute sind sehr nett." Persönlich hat er außerdem noch den "Schellingsalon" für sich entdeckt.

"Blaulicht wertet ein Bild optisch auf."

Somit hat seine München-"Achterbahnfahrt" alle Tiefphasen überwunden. Inzwischen weiß er auch Aspekte der Stadt zu schätzen, die früher eher störend waren: "Wenn du zwei kleine Kinder hast, ist Sauberkeit wichtiger geworden." Mit seiner Frau, die als Autorin für die neue "Laim"-Folge verantwortlich zeichnet, überlegt er sogar, eventuell nach München zu ziehen. Die Bindung ist auch deshalb stärker geworden, weil seine Mutter Charlotte Schwab seit 2016 zum Ensemble des Residenztheaters gehört: "Wir kommen sie nicht zuletzt wegen der Enkelkinder immer wieder besuchen." Seinen Nachnamen verdankt er seinem Vater Peter, der spätestens seit "Toni Erdmann" der breiten Öffentlichkeit ein Begriff ist.

Einige Punkte findet er als Berliner allerdings nach wie vor gewöhnungsbedürftig. Zum Beispiel, dass es fast keine Kioske gibt, die nachts geöffnet haben. Auch die Drehs sind nicht immer einfach: "Es ist jedes Mal eine Riesendiskussion, wenn wir Szenen mit Blaulicht drehen wollen. Offenbar ist München die einzige Stadt, wo das im Prinzip verboten ist. Aber gerade Blaulicht wertet nun mal ein Bild optisch enorm auf."

Das ändert aber nichts daran, dass sich nach der enttäuschenden Kammerspiel-Zeit "das Blatt gewendet" hat" So gesehen müsste er nur häufiger "Laim" drehen. Zwischen den einzelnen Folgen waren teilweise mehrere Jahre Abstand, auch wenn sich die Schlagzahl inzwischen erhöht hat. Aber noch wichtiger als seine Wertschätzung für München sind seine künstlerischen Prinzipien: "Wenn man zu viel dreht, kann die Qualität der Bücher leiden. Im Zweifelsfall habe ich lieber zwei, drei Jahre Pause. Danach ist die Chance höher, dass etwas Gutes dabei herausspringt."

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