Süddeutsche Zeitung

Schulpolitik:München will offene Ganztagsklassen einführen

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Von Heiner Effern, München

An Münchner Grund- und Förderschulen kann es künftig offene Ganztagsklassen geben. Mit diesem Beschluss erweitert der Stadtrat die Betreuung von Erst- bis Viertklässlern am Nachmittag um ein weiteres Angebot. Bisher können die Eltern zwischen Hort, Tagesheim, Mittagsbetreuung und der gebundenen Ganztagsschule wählen.

Diese verteilen den Unterricht im Wechsel mit Erholungsphasen über den ganzen Tag. Die offenen Ganztagsklassen, die am Nachmittag lediglich als Betreuung an den Unterricht anschließen, soll es in drei Formen geben: Die kürzeste Variante sieht Aufenthaltszeiten von Montag bis Donnerstag bis 14 Uhr vor. Die mittlere Version läuft an denselben Tagen bis 16 Uhr.

Das umfangreichste Modell schließt den Freitag ein, bietet Betreuung bis 18 Uhr und umfasst auch die Ferien. Die ersten beiden Modelle sind für Eltern kostenlos, für das dritte müssen sie zuzahlen.

Mit dem Beschluss im Kinder- und Jugendhilfeausschuss am Dienstag und der ebenso erwarteten Zustimmung im Bildungsausschuss an diesem Mittwoch kommt die Stadt einer Vorgabe des Freistaats nach. Dieser will vom kommenden Schuljahr an das Angebot der offenen Ganztagsklassen an Grundschulen einführen.

Der offene Ganztag sei nur "ein kleiner Schritt in Richtung Bildungsgerechtigkeit"

Stadtschulrat Rainer Schweppe sieht das kritisch. Der offene Ganztag sei nur "ein kleiner Schritt in Richtung Bildungsgerechtigkeit". Pädagogisch wertvoller seien die gebundenen Ganztagsschulen. SPD und auch Grüne in München wünschen sich in alter Verbundenheit einen stärkeren Fokus darauf und auch mehr Mittel dafür. "Das ist das ideale Modell", sagt Schulbürgermeisterin Christine Strobl (SPD).

Auch wenn sie den Beschluss für den offenen Ganztag eher mäßig begeistert mitträgt, ist ihr doch bewusst, dass die offenen Ganztagsklassen ihr Publikum finden werden. "Es gibt Schulen und Eltern, die das wollen." Wie hoch das Interesse tatsächlich sei, müsse man sehen.

Die CSU wirbt für Offenheit gegenüber dem neuen Modell. Gerade die Variante mit Fünf-Tages- und Ferienbetreuung, die die Schulen in Zusammenarbeit mit Trägern der Jugendhilfe anbieten könnten, sei eine Chance. "Die bisherigen Betreuungsangebote sind super.

Aber: Was machen die Kinder am Freitagnachmittag und in den Ferien, wenn die Eltern arbeiten müssen? Der offene Ganztag - und vor allem das Kombimodell von Jugendhilfe und Schule - trägt ganz eindeutig zu mehr Chancengleichheit und individueller Förderung der Kinder bei", sagt Beatrix Burkhardt, schulpolitische Sprecherin der Fraktion.

Der Markt für die benötigten Erzieher und Sozialpädagogen ist leer

München brauche unbedingt mehr Betreuungsplätze, darin seien sich alle einig. Der offene Ganztag solle bestehende Einrichtungen deshalb auf keinen Fall verdrängen, sondern sinnvoll ergänzen.

Die SPD sieht in den Vorgaben des Freistaats genau diese Gefahr. Denn Grundschulen, die sich für offene Ganztagsangebote entscheiden, erhielten keine finanzielle Förderung mehr für bereits bestehende Mittagsbetreuungen, erklärt Birgit Volk, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion.

"Eine Einführung des offenen Ganztags kommt an Münchner Schulen nur infrage, wenn die bisherigen Angebote dadurch nicht reduziert werden - weder was die Platzzahl angeht noch die Betreuungszeiten."

Um das sicherzustellen, einigten sich SPD und CSU auf einen Passus im Beschluss: Der offene Ganztag darf nur eingeführt werden, wenn Schule und Eltern dies wollten und gleichzeitig kein Betreuungsplatz verloren gehe. Er soll vor allem an neu zu bauenden Schulen und an solchen eingeführt werden, an denen es keine Mittagsbetreuung gibt.

Betreuungsangebote sollen für Eltern überschaubarer werden

Rasend schnell wird es mit dem offenen Ganztag ohnehin nicht gehen. Auch deshalb, weil der Markt für die benötigten Erzieher und Sozialpädagogen leer ist. "Es wird sicher einige Jahre dauern, bis sich das neue Modell in den Grundschulen etablieren wird, aber es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung", sagt CSU-Schulsprecherin Burkhardt.

Um der SPD das Einverständnis leichter zu machen, beschloss der Stadtrat, zwei Arbeitsaufträge an den Freistaat heranzutragen. Dieser soll ein Gesamtkonzept erstellen, um die verschiedenen Betreuungsangebote an den Grundschulen für Eltern überschaubarer zu machen.

Weiter solle er die gebundenen Ganztagsklassen finanziell besser ausstatten. Insbesondere fordert die SPD, die Betreuungszeiten auch hier auf den Freitagnachmittag und die Ferien auszuweiten.

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SZ vom 02.03.2016
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