Süddeutsche Zeitung

Hertzkammer:Vernetzte Bassmasseure

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Das weltmusikalisch versierte DJ-Duo "Schlachthofbronx" kuratiert beim Festival "The Roofs" ein eigenes Bühnen-Line-up.

Von Martin Pfnür

60 000 Watt, das mag erst mal nicht mehr als eine abstrakt hohe Zahl sein. Spannend wird es aber, wenn diese Zahl für die Energie einer tonnenschweren Soundanlage steht, die jeden Tanzbodenabend in ein körperlich erfahrbares Klangerlebnis verwandelt. "Blurred Vision" hieß die Tour des Münchner DJ- und Produzenten-Duos Schlachthofbronx, auf der dieses Ungetüm zuletzt zum Einsatz kam. Es verpasste dem Publikum eine Bassmassage, die jedes Härchen einzeln wackeln ließ und aufmerksamkeitsdefizitären Besuchern den Blick aufs Handy arg erschwerte.

Falls sich nun jemand fragen sollte, warum es für die Musik der Schlachthofbronx solch intensive Überwältigungsmaßnahmen braucht, so liegt die Antwort in einer allumfassenden Obsession von Benedikt Wiessmeier und Jakob Döring. Übt der physisch zupackende Effekt der schier endlos verzweigten internationalen Bassmusik doch eine Faszination auf sie aus, die sich in einer anhaltenden Suche nach immer neuen und möglichst ungeschliffenen nischenmusikalischen Formen widerspiegelt. Fündig werden sie dabei vor allem überall dort, wo der Kommerz noch nicht vollends um sich gegriffen hat: in der Soundsystem- und Straßenparty-Kultur, wie sie in Jamaika, Mexiko oder Südafrika ohne viel Aufhebens öffentlich ausgelebt wird.

Kein Wunder also, dass die beiden längst ein internationales Netzwerk voller Gleichgesinnter um sich herum geknüpft haben, das sie beim Gratis-Festival "The Roofs" nun ausschnittsweise auf einer eigenen Bühne präsentieren werden. Neben Lokalhelden wie der Münchner Drum-and-Bass-Crew Sustain! oder DJ Explizit von der altehrwürdigen Hip-Hop-Combo Main Concept wird zudem auch Besuch aus Brasilien und England erwartet. So etwa das All-Girl-Soundsystem-Trio Feminine Hifi aus Sao Paulo, das eine musikalische Brücke zwischen Brasilien und Jamaika schlägt, und dabei dem Reggae seinen elenden Sexismus austreibt. Oder auch Tash LC aus London, die ihre famosen DJ-Sets ähnlich weit streut wie die Schlachthofbronx, und sich für ihren Auftritt mit dem auf Patois rappenden MC Flowdan zusammengetan hat. Das 60 000-Watt-Ungetüm wird, anders als die Schlachthofbronx, an diesem Abend übrigens nicht zum Einsatz kommen. An intensiven Bassmassagen dürfte es auf der Creative-Roof-Stage freilich trotzdem nicht mangeln.

Schlachthofbronx & Friends, Sonntag, 21. August, ab 14 Uhr, The Roofs , Olympiapark

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