Süddeutsche Zeitung

Sankt-Jakobs-Platz in München:Ausstellung über jüdisches Leben mit "Hitler-Bärtchen" verunstaltet

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Von Jakob Wetzel, München

Unbekannte haben am Wochenende die Ausstellung "Jüdisches Leben in München gestern & heute" auf dem Sankt-Jakobs-Platz in der Münchner Altstadt beschädigt. Das teilte die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) am Montag mit. Auf mehreren Bildern wurden den dargestellten Personen offenbar mit Zigaretten Löcher ins Gesicht gebrannt.

Die Brandstellen befinden sich meist auf der Oberlippe, sodass der Eindruck eines "Hitler-Bartes" entsteht. In einem Fall wurde die Augenpartie verbrannt. Bei der Polizei ermittelt das Kommissariat 44, das für politisch motivierte Straftaten aus dem rechten Spektrum zuständig ist.

Wer auf den Fotografien zu sehen ist

Die IKG spricht von einer Schändung. Es gehe "nicht einfach nur um Sachbeschädigung", sagte Präsidentin Charlotte Knobloch. "Diese Tat ist Ausdruck von übelster Menschenverachtung und Verachtung gegenüber unseren freiheitlich-demokratischen Grundsätzen." Sie erwarte eine Entschuldigung. Antisemitismus, Freiheitsfeindlichkeit und Geschichtsrevisionismus seien noch immer präsent. Zwar sei nur eine Minderheit "befallen". Die Mehrheit aber müsse "solches Denken und Handeln unmissverständlich ächten".

Beschädigt worden sind drei Fotografien. Zwei stammen von der Einweihung der Hauptsynagoge 2006 und zeigen Würdenträger wie Israel Meir Lau, den langjährigen Oberrabbiner des Staates Israel, den damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, den früheren Oberbürgermeister Christian Ude und den ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Zudem ist Knoblochs Schwager zu sehen. Eine weitere beschädigte Fotografie zeigt den Galeristen Heinrich Thannhauser, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts die expressionistische Kunst gefördert hatte.

Worum es in der Ausstellung geht

Die Ausstellung "Jüdisches Leben in München gestern & heute" dokumentiert die Geschichte der Kultusgemeinde und stellt unter anderem jüdische Persönlichkeiten aus der Geschichte vor, die in München gewirkt haben. Die Schau ist zu einem doppelten Jubiläum der IKG aufgebaut worden: Vor 200 Jahren wurde erstmals eine Kultusgemeinde in München gegründet, vor 70 Jahren entstand sie nach Massenmord und Weltkrieg neu.

Die jüdische Gemeinde hat ihren zweifachen Geburtstag am 21. Juni mit einem Bürgerfest auf dem Sankt-Jakobs-Platz gefeiert. Die Ausstellung ist noch bis zum 19. Juli zu sehen.

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Quelle:
SZ vom 30.06.2015
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