Süddeutsche Zeitung

Reaktion auf Kritik:Das Erzbistum will keinen Spitzelturm

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Von Jakob Wetzel, München

Die katholische Kirche bricht ihr Schweigen: Nachdem sie sich zunächst nicht dazu äußern wollte, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) im Nordturm der Münchner Frauenkirche geheimdienstliche Technik verbaut hat, will sie nun doch Konsequenzen ziehen. Man nehme die Verärgerung von Teilen der Bevölkerung und unter Katholiken mit großem Bedauern zur Kenntnis, teilte das Erzbistum München und Freising am Mittwoch mit.

Nach seiner Kenntnis handele es sich bei den eingebauten Gerätschaften um Verstärkerantennen für den Funk, die der Geheimdienst nach bisherigen Angaben nicht mehr nutze, erklärt der Hausherr, Domdekan Lorenz Wolf: "Ich stehe in Gesprächen mit dem BND, auch über einen Abbau der Anlage. Abhörtechnik würden wir im Domturm nicht dulden."

Direkt abgehört wurde von der Frauenkirche aus indes wohl niemand. Am Wochenende war vielmehr bekannt geworden, dass der Auslandsgeheimdienst eine Empfangs- und Sendeanlage im Dom verwendete, um Diplomaten und Spione in München zu beschatten; das hatte der Geheimdienst-Experte Erich Schmidt-Eenboom herausgefunden. Dank des in knapp 100 Meter Höhe angebrachten Verstärkers konnten Agenten auch in Häuserschluchten miteinander und mit Dienststellen des BND in München und in Pullach kommunizieren. Installiert wurde die Anlage wohl vor 1989. Darüber hinaus nutzte offenbar eine zweite Behörde den Nordturm.

Einige der offenen Fragen könne man jedoch noch nicht beantworten, sagt der Stellvertreter von Erzbischof Reinhard Marx, Generalvikar Peter Beer: "Leider liegen gegenwärtig keine Unterlagen vor, die eine qualifizierte Aussage darüber zulassen, seit wann diese Einrichtung existiert und welchem Zweck sie dient." Die zuständige Kirchenstiftung bemühe sich jetzt, diese Fragen zu klären. "Sobald dies erfolgt ist, prüfen wir, ob der Zweck der Einrichtung mit einem Gotteshaus vereinbart werden kann. Reine Kommunikationsmittel von Sicherheits- und Rettungsdiensten etwa sind hier anders zu beurteilen als aktive Abhöranlagen."

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Quelle:
SZ vom 22.03.2018
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