Süddeutsche Zeitung

Oktoberfest:München rechnet mit weniger Wiesnbesuchern

Lesezeit: 3 min

Von Dominik Hutter und Franz Kotteder, München

Angesichts verbreiteter Terrorangst rechnet die Stadt mit sinkenden Besucherzahlen auf dem Oktoberfest. "Es wird wohl keine Rekordwiesn", prophezeit Hans Spindler von der Veranstaltungsabteilung des Wirtschaftsreferats. Mit einer Sperrung der Theresienwiese wegen Überfüllung sei daher wohl allenfalls zu Stoßzeiten zu rechnen, samstags vor allem und am Feiertag. Viel hänge davon ab, was sich vor dem Anstich noch weltpolitisch ereigne. Von Massenstornierungen ist der Behörde nichts bekannt. Die Absage der "Damenwiesn" von Regine Sixt wie auch zweier Trachtenvereine aus Bernried und Hessen seien Einzelfälle.

Zu diesen gehört auch noch ein politisch durchaus interessanter: Die Mittelstandsunion (MU), der Wirtschaftsflügel der CSU, hat schon im Juli per Rundschreiben den Wiesnbesuch storniert. Zwar gibt MU-Chef Hans Michelbach auf Nachfrage "terminliche Gründe" an. In der Mail, die von der CSU-Landesleitung verschickt wurde, heißt es indes, man teile mit, "dass der traditionelle Wiesn-Besuch der MU, geplant am 30. September 2016, aufgrund der aktuellen Sicherheitslage abgesagt wird".

Die meisten Trachtler sind offenbar weniger ängstlich. Das sagt Barbara Jahn vom Festring München, dem Veranstalter des Trachtenzugs. Insgesamt nehmen 195 Vereine und Gruppen am Trachten- und Schützenzug teil, jedes Jahr müsse man zahlreiche Bewerbungen aus Kapazitätsgründen ablehnen. "Wir haben also mehr als genug Nachrücker." Der Festring sehe die Absagen deshalb sehr gelassen, so Jahn. "Wir haben schließlich noch 9000 andere Teilnehmer, die keine Angst haben."

Beim Hotel- und Gaststättenverband sind bislang auch keine Stornierungen in größerem Umfang bekannt, sagt der stellvertretende Vorsitzende Martin Stürzer, selber Hotelier im Europäischen Hof an der Bayerstraße. "Vereinzelte Absagen gibt es bestimmt, aber nicht in größerem Stil." Die Nachfrage sei in den vergangenen Wochen aber nicht mehr so groß wie sonst. Er selbst glaubt ohnehin nicht an eine gestiegene Terrorgefahr. "Solche Anschläge werden ja praktisch nie bei Großereignissen verübt. Ich halte eine mögliche Massenpanik bei einem Fehlalarm für gefährlicher."

Das sogenannte Italiener-Wochenende könnte zumindest etwas ruhiger werden. Mattia Pagliaroni, Chef des Wiesn-Touren-Anbieters "Birraioli", sagt: "Wir haben etwas weniger Reservierungen als zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr. Die meisten allerdings buchen sehr spät, erst Anfang September." Aber Unsicherheit sei schon zu spüren. "Birraioli" bringe sonst 7000 Menschen jährlich auf die Wiesn, das werde wohl etwas weniger in diesem Jahr.

Eingezäunte Besucher und mehr Kontrollen

Um für alle Fälle gewappnet zu sein, segnete der Feriensenat des Stadtrats am Mittwoch einstimmig das verschärfte Sicherheitskonzept ab. Es sieht Personenkontrollen an den Zugängen zur Theresienwiese, ein Verbot großer Rucksäcke sowie eine Einzäunung des gesamten Geländes vor. "Ich hoffe, dass wir alle gemeinsam das Richtige getan haben", erklärte ein nachdenklicher Dieter Reiter nach der Abstimmung. Nach Ansicht des Oberbürgermeisters habe man nach den Vorfällen der vergangenen Wochen nicht so tun können, als wäre nichts passiert. Man könne nun trefflich darüber philosophieren, ob dies alles dem Charme der Wiesn zuträglich sei.

Politiker der Opposition haben durchaus Bauchschmerzen mit der neuen Sicherheitszone mitten in der Stadt. ÖDP-Stadträtin Sonja Haider etwa ist nicht sicher, ob die Menschentrauben an den Kontrollstellen nicht ebenso gefährdet sind wie das Wiesn-Gelände selbst. Lydia Dietrich von den Grünen hat Zweifel, dass angesichts der kurzen Vorbereitungszeit die Ausbildung der Ordner ausreicht. Für die Grünen sei ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis zwar durchaus nachvollziehbar - der Einzäunung aber begegne man mit Skepsis.

"Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz, aber wir können den Schutz erhöhen", erwiderte Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle auf die Einwände aus der Opposition (die das Sicherheitspaket trotzdem mittrug). Dass der Zaun, der im Falle einer Panik in 46 Sekunden geöffnet werden kann, praktikabel sei, sei bei einem Ortstermin bewiesen worden.

Böhle machte klar, dass sich die Stadt mit ihren Vorkehrungen bewusst auf einem Niveau bewege, das den Charakter der Wiesn nicht ernsthaft gefährde. So werde keineswegs flächendeckend kontrolliert, an den Zugängen fänden lediglich Stichproben statt. Einschneidendste Änderung sei wohl das Rucksackverbot - wobei Böhle davon ausgeht, dass sich die Begeisterung für Wiesn-Besuche mit großem Gepäck ohnehin in engen Grenzen hält. Auf ein ebenfalls diskutiertes Kinderwagenverbot (außerhalb der schon jetzt bestehenden Sperrzeiten) habe man ausdrücklich verzichtet. Vereinbart ist außerdem, dass 450 Ordner, 200 mehr als bisher, das Treiben auf der Theresienwiese überwachen.

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Quelle:
SZ vom 25.08.2016
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