Süddeutsche Zeitung

Nymphenburg/Obermenzing:Kunst statt Kletterpflanzen

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Der Obermenzinger Verein Artvision darf den Gitterzaun längs der Gleise nahe der Schlossmauer als Open-Air-Galerie nutzen. Was den Wunsch nach Begrünung der Schutzbarriere angeht, sperrt sich die Bahn bislang

Von Jutta Czeguhn und Sonja Niesmann, Nymphenburg/Obermenzing

"Ich habe mit mehr Widerstand gerechnet", sagt Mike Keilbach. Der Obermenzinger Künstler hatte mit einem Verhandlungspartner zu tun, mit dem andere oft Probleme haben, überhaupt in Kontakt zu treten: die DB Netz AG. Doch als Keilbach mit seinem Projekt "Openart am Gitterdraht" bei der Bahn vorstellig wurde, fand er dort offene Ohren. Womöglich, weil besagter Gitterdraht dringend etwas positive Publicity nötig hat. Es geht um das 2,50 Meter hohe Stahlgestänge, das seit etwa einem Jahr entlang des Bahndamms von Nymphenburg bis Obermenzing eine Schutzbarriere zu den Gleisen hin sein soll. In den Stadtbezirken spricht man allerdings von "Verschandelung". Keilbachs für den 23. September geplante Freiluft-Gemäldeschau am Zaun könnte die Tür aufstoßen für weitere Gestaltungsmaßnahmen, etwa mit Efeu oder Wildem Wein. Anträge dazu gab es bereits.

Die Stahlgitter-Konstruktion hat laut Bahn eine klare Funktion: Sie soll Menschen davon abhalten, den Damm zu erklimmen und so den Zugbetrieb zum Stillstand zu bringen. Die Meldung "Personen im Gleis" hat der Statistik zufolge im Jahr 2016 am häufigsten zu beträchtlichen Verspätungen oder stundenlangem Stillstand auf der Stammstrecke geführt. Gegen diese Abriegelung hat der Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg auch nichts einzuwenden. Bloß sei die Schutzbarriere etwas "brachial" ausgefallen. Auch die Kollegen aus Pasing-Obermenzing fühlten sich bei der Zaun-Aktion der Bahn vis-à-vis der Nymphenburger Schlossmauer übergangen. Sie stelle eine Zumutung für Radler und Spaziergänger dort dar und sei ein "massiver Eingriff ins Landschaftsbild". Beide Gremien regten daher an, den Zaun zu begrünen - kamen aber mit der Bahn bisher auf keinen grünen Zweig.

Die Sache mit der Begrünung scheint kompliziert zu sein und nicht jeder Vorstoß dem Anliegen dienlich, wie eine Diskussion in der jüngsten Sitzung des Neuhauser Bezirksausschusses (BA) zeigte. Dem Gremium lag der Antrag einer privaten "Initiative Pflanzteam" auf dem Tisch. Diese wollte 7000 Euro Zuschuss und damit selbst zwischen der S-Bahnstation Hirschgarten und der Fußgängerunterführung hinter der Schlossmauer Kletterpflanzen anbauen, "um Lärm und Luftverschmutzung zu reduzieren, das Erscheinungsbild der Gegend zu verbessern und weitere Vorteile für die Region zu bieten ..." Das sei alles "etwas schwammig formuliert", kommentierte Daniela Thiele (Grüne), Leiterin des Unterausschusses Umwelt. Vor allem aber: "Einfach dort Pflanzen auf Bahngrund, also privaten Grund hinzusetzen, das geht doch nicht." Der BA lehnte den Zuschuss ab, wie es zuvor auch das Direktorium der Stadt in seiner Prüfung empfohlen hatte. Allerdings wollen die Neuhauser ebenso wie die Kollegen aus Pasing und Obermenzing an dem Thema dranbleiben und mit der Bahn über eine Gestaltung des Zauns verhandeln.

Der Bezirksausschuss Pasing-Obermenzing war positiv überrascht und zur Unterstützung bereit, als ihm Mike Keilbach und sein Kunstverein Artvision berichtete, bei der DB Netz AG nicht nur durchgedrungen, sondern sogar auf offene Ohren gestoßen zu sein. "Die Bahn hatte uns nur zur Bedingung gemacht, dass es einen Verantwortlichen für das Projekt gibt und dass wir eine Versicherung vorweisen können", erzählt Keilbach, der auch die Schlösser- und Seenverwaltung von der eintägigen Zaun-Galerie überzeugen konnte. Ihr nämlich gehört der Weg, der von der Bärmann-Unterführung zum Schlosskanal führt. In diesem Bereich wollen die Künstler ihre Werke am 23. September, von 12 bis 18 Uhr, am Drahtgitter aufhängen. Der Aufwand sei gering, sagt Keilbach, "ich hab' nur ein paar Fleischerhaken besorgen müssen". Falls es regnet, weicht man auf den 3. oder 7. Oktober aus. Und vielleicht, hofft Keilbach, könnte "Openart am Gitterdraht" zu einer jährlichen Aktion werden.

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SZ vom 30.08.2018
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