Süddeutsche Zeitung

MVG:Wenn Kontrolleure in der Trambahn alles tun, um sich unbeliebt zu machen

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Erst scheinbar hilfsbereit, dann aber ziemlich fies: Bei so manchem Prüfer stellt sich die Frage, ob in der Ausbildung auch mal das Wort "Anstand" vorkommt.

Kolumne von Stephan Handel

Was würde München nur ohne seinen Nahverkehr tun? Ohne seine Tram, seine Busse, seine S-Bahnen? Das Chaos würde herrschen, so wie am Freitagmorgen mal wieder, als die Stammstrecke gesperrt war. Und viele MVG-Geschichten könnten nicht erzählt werden - von denen fast jeder Münchner mindestens eine parat hat.

So wie die folgende, die sich vergangene Woche in der Tram 19 abgespielt hat: Ein Mann steigt ein am Rathaus Pasing, erkennbar unerfahren in Fahrplan und Tarifsystem, was sich schon daran zeigt, dass er nach dem Fahrkartenautomaten im Waggon suchen muss. Einige Zeit versucht er, die Bedeutung der verschiedenen Ring-Lösungen zu ergründen, bis er sein eigentliches Problem erkennt: Er hat kein Münzgeld.

Also geht er, die Tram hält mittlerweile an der Offenbachstraße, auf einen anderen Fahrgast zu und fragt, ob der wechseln könne. Der kann, und während zwei Zehner gegen einen Zwanziger getauscht werden, schließen sich die Türen. Kaum sind sie zu, ändert sich der nette, hilfsbereite Blick des Geldwechslers: "Die Fahrscheine bitte", ruft er, und, zu dem ortsfremden Herrn, lächelnd: "Gell, Sie haben keinen?"

Der hat sich gewiss sehr gefreut darüber, dass sein erster Kontakt mit dem Münchner Nahverkehr und dessen Offiziellen ihn gleich 60 Euro kostet, denn selbstverständlich waren alle Diskussionsversuche ebenso vergeblich wie die Frage, ob in der Ausbildung der Kontrolleure auch mal das Wort "Anstand" vorkommt. Weil aber gerade Siko war und deshalb ein außenpolitischer Bezug nicht schaden kann: Der Nutzer des Münchner Nahverkehrs braucht sich nicht zu fragen, welchen internationalen Präsidenten oder Potentaten er für den unsympathischsten Menschen hält, manche Fahrkartenkontrolleure tun tagtäglich alles, um sich erfolgreich um diesen Titel zu bewerben.

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SZ vom 20.02.2017
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